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Totenrache und zehn weitere Erzählungen

Titel: Totenrache und zehn weitere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frank
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zuvor durch seine Begeisterung über die Entdeckung der Filme entgangen war: der betörende Duft der Frau, so schwach, dass es eine Täuschung oder Wunschdenken hätte sein können.
    Neue Anspannung umfasste ihn, als Brendan sich von ihm zu einer weiteren Tür leiten ließ, die hinter alten Projektoren und leeren Filmrollen verborgen lag. Ein schmaler Durchschlupf ermöglichte es, jenseits des Gerümpels zu gelangen und die Tür zu passieren.
    Hinter ihr führte ein Gang tiefer in den Keller hinein oder, wie es schien, über dessen Grenzen hinaus. Zögernd trat Brendan über die Türschwelle, während die Furcht zu Schmerz hochkochte, und schaute aus der Finsternis in noch undurchdringlichere Schatten. Dennoch wusste er, dass er nicht mehr allein war; die Nähe der Frau war jetzt allzu verräterisch. Mit stockendem Atem hob er den Arm, der das Feuerzeug hielt. Ihr Schemen wurde sichtbar. Sie stand aufrecht in der Mitte des Schachts; als Brendan auf sie zuging, sah er den ihr zu Füßen kauernden Mann.
    Das Bild brannte sich ihm unauslöschlich ein. Nicht sexuelle Praktik war der Anlass dieser Unterwürfigkeit. Es war ihre Hand, die den Mann in seiner Position hielt. Sein Gesicht wies in Brendans Richtung. Der Schein des Feuers fand in seinen Augen zweifache stecknadelgroße Erwiderung, und seine Lippen klafften stumm auseinander, zu einem Loch aufgespreizt. Noch bevor Brendan das Blut roch, wusste er, dass ihre Hand eine Leiche hielt.
    Er schaute der Mörderin ins Gesicht, sie erwiderte seinen Blick gelassen; was immer der Grund für die Hinrichtung gewesen sein mochte, Brendan fand in ihren Augen keine Erklärung. Aber sie zu sehen, machte es so leicht, sich einzureden, der Zuhälter hätte ein Leben ausgehaucht, das diese Strafe rechtfertigte. Während er langsam auf sie zuschritt und noch mit der Mathematik des Schreckens rang, ließ die Frau ihr Opfer aus der Hand gleiten. Der Schädel des Toten schlug mit einem widerlich-dumpfen Geräusch am Boden auf. Der Aufprall presste der Leiche letztes erkaltendes Blut aus dem Leib, welches sich, wie Brendan erst jetzt bemerkte, zu einer Lache ausgeweitet hatte.
    „Geh nicht“, sagte er. Von oben hörte er schwach Salven aus dem Kino herunterhallen; der nicht minder blutrünstige Showdown des Films wurde eingeleitet. Die New Yorker Bestien dort oben starben in einem Schauer plumper Effekte.
    „Bitte, geh nicht.“
    Sie war jetzt nur noch ein sanftschimmender Makel in der Finsternis.
    „Ich will dir helfen“, flehte Brendan weiter, „nur sag, wer du bist.“
    Statt einer Einwilligung verklangen die Schritte.
    Er zögerte, ihr zu folgen. Nicht die Angst hinderte ihn daran. Jetzt war er beinah reizvoll, der Gedanke, in ihren Armen zu sterben; die Radikalität ihrer Hände fand er bezaubernd, aber er hatte oben Pflichten zu erfüllen.
    Er gestand sich einen zweiten Grund ein, der Frau nicht zu folgen: über die Leiche hinwegzusteigen und durch ihr Blut zu waten, war mehr, als er heute Abend vertragen konnte. Morgen würde er das tun, im Schutz besseren Lichts und des nächtlichen Pläneschmiedens.

    Nach einer Phase hochsommerlichen Wetters wurde der Gestank der sich zersetzenden Leiche tief im Gedärm des Kinos immer üppiger. Brendan war mehrmals im Keller gewesen, aber er hatte sich nicht aufraffen können, den toten Luden zu passieren; selbst die Hoffnung auf die Frau als Trophäe konnte daran nichts ändern.
    Es war Rod, der ihn auf das sich anbahnende Problem ansprach.
    „Also, der Gestank ist jetzt wirklich schlimm.“
    „Ja“, antwortete Brendan. „´s wird ein Tier sein, draußen im Hof; ´n totes Tier.“
    „Ein Tier, sagst du? Um Gottes willen, von welchem Tier sprichst du da? Das stinkt, als läg ein toter Zoo im Keller. Ich hab schon nach dem Kadaver gesucht, konnte ihn aber nirgends finden.“
    „Mir erging es nicht anders.“ Die Lüge ging Brendan federleicht von den Lippen.
    „Wir müssen ihn aber finden.“
    Brendan zuckte mit den Achseln. „Müssen wir das? Das regelt sich schon. Wart nur ab, wenn die Tage kühler werden, wird sich alles zum Besseren wenden. Oder wenn die Ratten drüber herfallen.“
    Rod kratzte sich am kurzgeschorenen Schädel. „Würdest du das auch McCean sagen?“
    „Warum sollte ich das?“
    „Weil er vorbeischauen wird. Er ist längst überfällig. Wahrscheinlich kam er nur deshalb nicht, weil er weiß, dass die Geschäfte im Sommer schlecht gehen. Und wenn er bemerkt, dass wir dabei sind, das Kino zu

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