Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenrache und zehn weitere Erzählungen

Titel: Totenrache und zehn weitere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frank
Vom Netzwerk:
verschandeln...“ Die Bemerkung flog ins Vergessen. Offenbar rüttelte die Bedrohung durch McCeans Erscheinen an Rods Nerven. „Meine Güte, wir müssen das Viech finden und fortschaffen.“
    Er verschwand im separaten Kassenhäuschen und kam mit zwei Taschenlampen wieder zum Vorschein. „Würdest du oben nachschauen?“
    Brendan nahm eine Lampe entgegen. „Wenn du meinst.“
    „Ich durchsuche den Keller.“
    Brendan ruckte herum und schaute Rod an. „In den Keller willst du?“
    „Warum denn nicht? Ein Ort, so beschissen wie jeder andere hier, nicht wahr?“
    „Da hast du Recht.“
    „Warum fragst du dann? Man könnte glauben, du hättest dort jemand begraben.“
    Mühsam brachte Brendan ein Grinsen zustande, das wie festgefroren in seinen Zügen verblieb. „Guter Witz.“
    Rod grinste freudlos zurück. „Denk dran: Besser, wenn wir das Biest heute finden.“
    „Klar denke ich dran.“
    Rod zog ab, und Brendan blieb nur die Hoffnung, dass der Eifer der Mörderin geringer war als der seines Kollegen.

    Brendans Zuversicht begann nach dreißig Minuten zu schwinden; nach einer Stunde wurde sie ersetzt durch Hilflosigkeit. Er lugte den Schacht zum Keller hinunter, horchte und bat um ein Zeichen von Rod.
    Himmel, dachte er, Himmel.
    Manchmal glaubte er Geräusche zu hören, aber wenn das welche gewesen waren, dann wusste er sie nicht zu deuten.
    Nochmals, wie um Beistand herbeizuflehen: Himmel.
    Brendan spürte sein Herz laut und voller Hast schlagen und sah seinen Puls in den Handgelenken zittern. Seine Lippen murmelten Worte, an denen sein Hirn nicht teilnahm.
    Wieder zurück zur Kellertreppe, das Hinunterstieren war jetzt vertraut, so vertraut wie die Leere auf den Stufen.
    „Rod?“, murmelte er zaghaft; spinnwebendünn kam ein Echo zurück.
    Wenn er jetzt hinunterginge? Er schreckte vor dieser Idee zurück. Er mochte nach dem Mann nicht noch eine zweite Leiche dort vorfinden. Er runzelte die Stirn. Da: Da war sie doch gewesen, die Gewissheit, oder? Plötzlich war er sicher, dass Rod tot war. Der Gedanke an ihn als Leiche hatte ihm dies zur Gewissheit gemacht. Er fragte sich, ob Tragödien wahr wurden, wenn man in Verzweiflung an sie dachte.
    Er spürte, das Tränen kommen wollten, aber er würgte sie hinunter.
    Lass ihn ruhen, dachte er und ballte die Hände zu Fäusten, um sich zur Ruhe zu zwingen. Plötzlich hellte sich seine Miene auf: Sollte McCean sich drum kümmern. Sicherlich würden Fragen gestellt, und womöglich käme jemand auf die Idee, ihn mit reinzuziehen; irgendein schwächliches Motiv aufgestellt, das bohrende Fragen heraufbeschwor. Besser also, er weihte McCean sofort ein.
    Brendan hastete zum Kassenhäuschen, wo, wie er wusste, eine Liste lag, auf der McCean zahlreiche Telefonnummern notiert hatte, unter denen man ihn erreichen konnte. Er wischte einen Stapel zerfledderter Illustrierter vom Tisch - Sensationen, sträfliche Enthüllungen, lächelnde Mädchen -, zerwühlte Papiere und kehrte das Innere aller Schubladen nach außen. Ein vager Lufthauch wehte ihm in den Nacken und machte ihm bewusst, wie sehr er ins Schwitzen geraten war. Endlich hielt er ein Blatt in Händen, das Erfolg versprach; die Ziffern, die dort aufgelistet waren, waren jedenfalls Telefonnummern.
    Eine Hand legte sich auf die Schulter, und Brendan schrie gequält auf und wirbelte auf seinen Fußballen herum.
    Rod glotzte ihm erstaunt entgegen und wich etwas zurück. Beschwichtigend hob er seine Arme. „Ich bin es bloß“, sagte er. Dann grinste er. „Meine Mutter sagte immer, wer so reagiert wie du, hat Dreck am Stecken.“
    Vor Brendans Augen sank ein roter Regen nieder, den er nicht wegblinzeln konnte, die Muskeln seines Herzens schienen vor Erregung zu bersten, und er sah, dass er im Begriff war, McCeans Notizen zu zerreißen. Er ließ die Panik in einem langen Atemzug aus sich heraus.
    „Sagte deine Mutter auch“, keuchte er, „dass Leute, die sich anschleichen wie du, irgendwann einmal dafür bezahlen müssen?“
    „Nein, tat sie nicht.“ Rods vom Grinsen aufgeworfenes Gesicht glättete sich plötzlich. Beiläufig wischte er eine Ecke des mit Gerümpel übersäten Schreibtisches frei und setzte sich. „Da unten liegt ein Toter, womöglich schon einige Wochen. Ziemlich bös zugerichtet, wirklich bös. Und...“
    „Ja?“, fragte Brendan, als Rod plötzlich verstummte. Da war etwas Alarmierendes in seiner Stimme gewesen, und Brendan konnte die schlechte Nachricht sich förmlich auf Rods Zunge formen

Weitere Kostenlose Bücher