Totenruhe - Bleikammer - Phantom
bleiben, dass die Geschäftsführer des Wunderunternehmens Mitsugai sich keines langen Lebens erfreuten.
Erst aus der Zeitung erfuhr ich, dass meine Firma in den neun Jahren ihres Bestehens zwölf Geschäftsführer gehabt hatte. Einer hatte mehr als drei Jahre durchgehalten, zwei andere hatten das Amt freiwillig niedergelegt und erfreuten sich bis heute bester Gesundheit, die restlichen neun jedoch waren verstorben, alle an Krankheiten, die sie offenbar noch nicht gehabt hatten, als sie die Stelle antraten. Am häufigsten war von Krebs die Rede, in ein paar Fällen auch von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Am schnellsten hatte es vor vier Jahren einen Mann namens Fujita erwischt. Er hatte das Amt nicht einmal vier Wochen überlebt.
Nach offizieller Sichtweise handelte es sich um zufällige Koinzidenzen, aber man konnte es der Öffentlichkeit nicht verübeln, dass sie allerhand Theorien aufstellte, wie es auch die Mitarbeiter von Mitsugai selbst taten. Am häufigsten war von einem Fluch die Rede, und sogar die alte Geschichte vom Fluch des Pharao wurde wieder ausgegraben und in den Medien breitgetreten. Nachdem im Jahr 1922 das Team des Archäologen Howard Carter die Pyramide des Tutanchamun gefunden hatte, starben zunächst der Geldgeber und im Laufe einiger Jahre weitere fünf der an der Graböffnung beteiligten Personen.
„Vielleicht wohnt bei uns im sechzehnten Stock eine Mumie“, scherzten einige der Angestellten. Ich fühlte mich mehr als einmal versucht, in solche Diskussionen das einzubringen, was mir Emi verraten hatte, und von der ominösen Bleikammer zu sprechen. Doch ich brachte es nicht über mich, ihr Vertrauen zu missbrauchen, schon deshalb nicht, weil ich hoffte, dass ich eines Tages die ganze Wahrheit aus ihrem Mund erfahren würde.
Wie abzusehen gewesen war, war das Interesse der Öffentlichkeit von kurzer Dauer. Schon wenige Tage nach Moris Tod nahmen die Berichte ab, und nach zwei Wochen diskutierten nur noch Freunde von Verschwörungstheorien, Gespenstern und UFOs über die Geschichte. Nüchterne Menschen hatten darauf hingewiesen, dass es auch in den Chefetagen anderer Firmen bisweilen Serien von Sterbefällen gab, die sich statistisch erklären ließen.
Fataler für Mitsugai als das Medieninteresse war der Umstand, dass sich kein Nachfolger für Mori finden ließ. Die Bereichsleiter waren weder durch Lobeshymnen noch durch Strafpredigten dazu zu bewegen, das Amt anzutreten, und auch dass die Honorierung der Position noch einmal angehoben worden war, schien sie kalt zu lassen. Da man für dieses wichtige Amt keinen Außenstehenden anheuern konnte, ging die Suche in den niederen Rängen weiter.
Zu denen, die schnell im Gespräch waren, gehörte Hara, mein direkter Vorgesetzter, einer der Tüchtigsten unter den Hauptabteilungsleitern. Er war mir durchaus karrierehungrig vorgekommen, und ich ging davon aus, dass er akzeptieren würde. Er würde einen Rang einfach überspringen, und sein Gehalt würde sich damit praktisch verdoppeln.
Hara machte sich die Entscheidung nicht leicht. Tagelang quälte er sich damit herum, war nur ein Schatten seiner selbst, ein Nervenbündel, das jedermanns Mitleid weckte. Sein langes Gesicht war fahl geworden, sein Grinsen ein verbissenes, krampfartiges Etwas, und für kurze Zeit sah er so aus, als würde er schon ins Gras beißen, ehe er den Posten überhaupt antrat.
Ich wunderte mich, dass Emi nicht ständig um ihn herumschwirrte. So wie ich sie verstanden hatte, musste sie sich doch für die Leute interessieren, die zum Geschäftsführer aufstiegen. Wenn sie das Geheimnis der Firma kannte und gleichzeitig das Geheimnis dieser merkwürdigen Todesfälle, dann war es doch wichtig, Haras Vertrauen zu finden und ihn zu beschützen, wie sie versucht hatte, Mori zu beschützen.
Aber Emi hielt sich von Hara fern, blieb stattdessen in meiner Nähe. War es doch mehr als ein nüchternes Interesse, das sie an mir hatte? War sie etwa doch in mich verliebt?
Nach einer Woche der Selbstqualen gab Hara seine Entscheidung bekannt. Er lehnte die Beförderung ab, wie es die Bereichsleiter vor ihm getan hatten.
Es war eine kleine Sensation, oder besser: eine Katastrophe. Die Eigentümer donnerten, sie würden ihn entlassen, und er nahm diese Drohung hin, beinahe erleichtert, wie es schien. Schließlich entließ man ihn doch nicht. Er behielt seine Position, und die Suche ging unter seinen Kollegen weiter.
„Ich wusste, dass er nicht Geschäftsführer wird“,
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