Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Titel: Totenruhe - Bleikammer - Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
meinte Emi zu mir. „Ich spürte es irgendwie.“
    „Aha“, entgegnete ich wenig beeindruckt. Hinterher konnte man solche Weisheiten immer leicht von sich geben. „Dann weißt du sicher auch, wer den Job am Ende bekommt.“
    Sie sah mich lange an, antwortete aber nicht.
    Ich fühlte, dass Mitsugai in eine Krise rutschte, vielleicht zum ersten Mal seit Bestehen der Firma. Die Absätze blieben unverändert gut, nein, sie wurden ständig noch besser. Geld floss in rauen Mengen, doch im Inneren war eine gewisse Unruhe zu erkennen. Nicht nur die höheren Ränge waren davon betroffen – die zahlreichen Ablehnungen der Beförderung lösten auch unter den einfachen Angestellten Nervosität aus.
    Ich war gespannt, wie sich das alles noch entwickeln würde.
    Natürlich würde niemand auf die Idee kommen, mich auf den Sessel des Geschäftsführers zu setzen. Trotzdem probte ich vor dem Spiegel schon einmal die Absage.
    Schließlich hatte ich mir geschworen, mich nicht mehr befördern zu lassen.

7
    Es war ein strahlend heller Tag Ende Oktober, kurz nach vier Uhr am Nachmittag. Die Sonne stand tief und gleißend am Himmel, kämpfte sich durch die Markisen und blendete mich, also duckte ich mich hinter meinen Monitor, was gewiss aussah, als würde ich mich verstecken.
    Ein elektronisches Glockengeräusch kündigte an, dass der Fahrstuhl angekommen war – das passierte hundert Mal pro Tag, und gewöhnlich bekam ich nicht mit, wer ein- oder ausstieg, doch diesmal sah ich hin. Wahrscheinlich tat ich es, um meine Augen etwas auszuruhen, die keine Lust mehr hatten, in Richtung Sonne zu blicken.
    Ein Mann in einer braunen Uniform verließ den Lift. Er trug ein kleines Paket unter dem Arm. Ich kann im Nachhinein nicht sagen, was mich an ihm störte. Vielleicht war es die Uniform, die ich nicht auf Anhieb mit einem Paketdienst in Verbindung brachte. Ich meinte, sie an anderer Stelle gesehen zu haben. Aber auch die Augen des Fremden müssen mich irritiert haben, unstet, beinahe irr, als stünde er unter einem enormen Druck. Er klebte etwas auf die Lichtschranke, so dass die Tür des Aufzugs sich nicht mehr schließen konnte.
    Ich ahnte, dass gleich etwas passieren würde, und ich konnte doch nur zusehen. Zusehen, wie er sich vier, fünf Meter neben dem Lift mit dem Rücken gegen die Wand presste, hastig und mit geweiteten Augen seine Blicke durch das Großraumbüro sandte und fahrig das Paket öffnete, das er mitgebracht hatte. Es war nicht richtig verschlossen gewesen wie ein Postpaket. Es hatte lediglich als Behälter für etwas gedient, das er unbemerkt in die Firma schmuggeln wollte.
    Unwillkürlich zuckte ich, doch ich zwang mich, nicht aufzustehen. Ich stieß dafür meinen Nebenmann an, der verbissen Computereingaben machte.
    Der falsche Paketbote zog ein Gerät aus dem Paket. Es schien hauptsächlich aus einem Gewirr roter Kabel zu bestehen, die mit viel schwarzem Klebeband an etwas Metallischem befestigt waren. Es war entweder eine Höllenmaschine oder eine Attrappe davon. Ich konnte mich nicht rühren, aber mein Puls beschleunigte sich so sehr, dass ich fürchtete, einen Herzanfall zu bekommen.
    Einer meiner Kollegen hatte ihn ebenfalls gesehen, sprang auf und rief. „Achtung, der hat eine Bombe!“
    Der Mann in der braunen Uniform kämpfte offenbar mit einem Frosch im Hals und brachte kein Wort hervor. Seine Hände hielten die Maschine hoch und zitterten dabei. Natürlich machte sich Unruhe breit, vor allem in den vorderen, dem Lift zugewandten Reihen. Dort standen die Leute auf, wichen zurück. Mein Mund wurde trocken. Wenn die Bombe echt war, würde es wenig nutzen, ein paar Schritte zurückzugehen. Außerdem wusste man nicht sicher, ob er sie nicht werfen würde. Ich versuchte Ruhe zu bewahren und hoffte, dass meine Kollegen ebenfalls dazu in der Lage waren. Über hundert Leute arbeiteten in diesem Großraumbüro, und alle standen wir möglicherweise an der Schwelle des Todes. Ich begriff das. Ich könnte nicht behaupten, dass es mich kalt ließ, aber ich hatte mich unter Kontrolle. Und die anderen auch. Nicht einmal die Frauen schrien.
    So still wie in diesem Moment war es in diesem Raum noch nie gewesen. Das Summen der Computermonitore klang erschreckend laut, ein Geräusch, das ich vorher noch nie vernommen hatte.
    „Verdammte Brut“, zischte der Uniformierte jetzt. „Ihr werdet alle sterben.“
    Er klang nicht, als spiele er uns etwas vor. Falls er kein begnadeter Mime war, meinte er es ernst.
    Ich fragte mich,

Weitere Kostenlose Bücher