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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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Hause.
    Horace hatte gehofft, dass eine heimlich vollzogene Eheschließung mit Myra Granville, dem einzigen Kind seines reichen Arbeitgebers, ihm eine Beförderung in der Firma einbringen würde, wenn nicht gleich ein Leben in Luxus und Müßiggang. Stattdessen warf der alte Mann ihn hinaus.
    Dann schickte Horace seine Frau los, um für sie zu bitten, doch sie bekam zu hören, dass ihr Vater nicht mit ihr zu sprechen gewillt sei, solange sie mit Horace Yeager zusammenlebte. Die Geburt eines Enkelkindes - in Mr. Yeagers Augen ein sicherer Weg, um das Herz seines Schwiegervaters zu erweichen - hatte lediglich das Schreiben eines Anwalts zur Folge, in dem seiner Frau mitgeteilt wurde, dass sie keinen Penny erben würde.
     
    Als Mitch in die Schule kam, lebte Horace Yeager bereits mit einer anderen Säuferin in einem anderen Haus in einem anderen
Teil des Landes. Mitchs Mutter erzählte allen, Horace sei tot. Kaum war ein Jahr vergangen, stimmte das auch - ein Unbekannter hatte ihn umgebracht, nachdem er beim Kartenspiel eine große Geldsumme gewonnen hatte. Das Geld war weg.
    Kurz nachdem ihr Vater die Familie verlassen hatte, erschien eine imposante Person bei ihnen. Mitch hatte den langen schwarzen Wagen, der vor ihrem Haus hielt, ehrfürchtig bestaunt. Ein livrierter Chauffeur kam an die Tür und erbot sich, Adam, Mitch und ihre Mutter »nach Hause« zu bringen. Mitch war sechs Jahre alt. Adam mit seinen dreizehn Jahren war weniger beeindruckt, aber nicht weniger scharf darauf, in der Villa zu leben, die ihnen ihr Vater so oft gezeigt hatte.
    Die Antwort ihrer Mutter auf dieses Friedensangebot war, dass sie dem Chauffeur auftrug, ihrem Vater zu sagen, er solle sie am Arsch lecken. Die verblüffte Miene des Mannes deutete darauf hin, dass es ihn mehr überraschte als die Jungen, eine Frau solche Redensarten gebrauchen zu hören, doch er erwiderte nichts. Er zog einen weißen Umschlag aus seiner Weste, legte ihn auf den Küchentisch und ging.
    Auf dem Umschlag war das Monogramm ihres Großvaters eingeprägt. Seine Mutter starrte darauf und sagte dann zu Adam: »Mach ihn auf und lies ihn mir vor. Ich fasse das verdammte Ding nicht an.«
    In dem Umschlag lag nicht der erwartete Brief, sondern ausschließlich Geld.
    Ihre Mutter war nur allzu gern bereit, das Geld anzufassen. Mitch sah, wie Adam fünf Dollar verschwinden ließ, ehe er ihr die Scheine reichte. Die fünf Dollar nutzte Adam, um etwas zu essen für sie zu kaufen. Den Rest gab sie für Fusel aus.
    Von da an kam der Chauffeur alle zwei Wochen vorbei und brachte jedes Mal einen Umschlag mit, den er stets Adam überreichte. Adam und Mitch, die ihren Großvater nicht erwähnen durften, nannten ihn nun unter sich den »Häuptling«
und fürchteten in jeder Nacht, bevor der Chauffeur erwartet wurde, dass der alte Herr womöglich keine Lust mehr haben könnte, Jungen, die er nicht kannte, und einer Frau, die ihn verachtete, Geld zukommen zu lassen.
    Einmal nahm Adam einen größeren Teil des Geldes für Haushaltsausgaben an sich, woraufhin ihre Mutter ihn grün und blau schlug. Mitch versuchte, Adam beizustehen, und bekam ein blaues Auge für seine Bemühungen.
    Adam zahlte es ihr heim, indem er ihren Vermieter aufsuchte und ihm verriet, wann der Chauffeur jeweils auftauchte. Der Vermieter gewöhnte sich an, regelmäßig wenige Minuten, nachdem der Chauffeur da gewesen war, bei ihnen anzuklopfen und die Miete einzufordern.
    So gelang es Adam, ihnen ein Dach über dem Kopf und Essen auf dem Tisch zu erhalten. Mitch sammelte Kleinholz für den Kamin, die einzige Wärmequelle im ganzen Haus. Doch in diesem Winter genügte das nicht - Mitch bekam einen schrecklichen Husten. Da er eine Lungenentzündung oder Tuberkulose befürchtete, nutzte Adam die fünf Dollar, um den Arzt kommen zu lassen und die Medikamente zu bezahlen, die dieser gegen die Bronchitis verschrieb.
    Während seiner Genesung grübelte Mitch über die Bürde nach, die er seinem Bruder auferlegt hatte. Adam schaffte es trotz allem, sie zu ernähren, auch wenn die Auswahl an Nahrungsmitteln, die jetzt bei ihnen auf den Tisch kam, merkwürdig war. Irgendwann hatten sie einen ganzen Karton Tomatensuppe und eine Kiste Orangen. Zu Mitchs Erstaunen saßen eine Woche später zwei Hühner und ein Hahn in einem Stall hinter dem Haus.
    Nach den Tieren befragt, erklärte Adam: »Hühner legen Eier. Ist doch sinnvoller, Hühner zu halten, als Eier zu kaufen, stimmt’s?«
    »Aber wie können wir uns die Hühner

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