Totenruhe
kennen zu lernen, aber derzeit nicht beabsichtige, ihr Testament zu ändern. Mitch Yeager lehnte jede Stellungnahme ab.
Kyle - oder Max - rief mich nicht an.
Vierundzwanzig Stunden nach Veröffentlichung der Erklärung lieferte O’Connor einen Artikel ab, in dem über das Verschwinden von Warren Ducane berichtet wurde.
24
»Was machst du denn da?«, fragte Sonya Yeager ihren Mann. »Kochst du?«
Mitch Yeager sah sie missbilligend an. »Nein, ich stehe hier in Bademantel und Hausschuhen am Herd und halte mich an einem Topf fest, weil ich mich auf dem Weg zum Klo verlaufen habe.«
»Mitch, ich verstehe, dass du wütend bist.«
Er biss die Zähne zusammen. Vor ungefähr einem Jahr war sie auf so einem Seminar gewesen und konnte seither nicht mehr normal reden. Ich verstehe. Ich verstehe . Dabei war Werner Erhard der Einzige, der etwas verstand - er verstand es nämlich, richtig Kasse damit zu machen, dass er den Leuten verbot, den Raum zu verlassen und pinkeln zu gehen, während er ihnen Beleidigungen an den Kopf warf. Das war vielleicht ein Schwindel. Eine Scheiß-Sekte war das. Mitch hatte Sonya hingehen lassen, damit er sie für ein Wochenende los war. Als sie sich danach in weitere Kurse hatte einschreiben wollen, hatte er das allerdings verboten - er wollte nicht, dass seine Kinder auch so zu reden anfingen wie sie.
»Ich bin bloß aufgestanden, um mir ein Glas warme Milch zu machen«, erwiderte er. »Was stört dich daran?«
»Wir haben eine Köchin. Es sieht unpassend aus, wenn du so etwas selbst machst.«
»Wer zum Teufel sieht das schon? Und wen zum Teufel juckt’s, wenn es jemand sieht?«
»Das verstehe ich«, sagte sie und nickte mit ihrem hübschen
blonden Kopf. »Aber ich hätte es dir auch abnehmen können. Du hättest nur zu fragen brauchen.«
»Ich wollte dich nicht stören«, log er und unterdrückte den Impuls, ihr zu sagen, dass sie sich lieber mal mit ihrer Peroxidflasche beschäftigen solle, weil sich am Haaransatz dunkle Streifen zeigten. Bemerkungen über ihre Haare nahm sie sich zu Herzen, und er wollte sich nicht mit einem ihrer Heulanfälle auseinander setzen müssen.
»Es hätte mich nicht gestört, Mitch. Ich nehme dir gerne etwas ab.«
Das Problem ist, dass du nur eine Sache richtig gut kannst, dachte er insgeheim. Laut sagte er: »Geh ins Bett, Sonya. Mir fehlt nichts.«
»Okay, ich verstehe, dass du allein sein willst.«
»Genau.« Also, wenn Erhard der Tussi das hatte beibringen können, war das Geld ja vielleicht doch nicht total verschwendet gewesen.
Er goss die Milch aus dem Topf in ein Glas und nahm es in das größere seiner beiden Arbeitszimmer mit. Dort drückte er auf den Knopf seiner Lionel-Eisenbahn, die den größten Teil des Raumes einnahm, und trank gemächlich seine Milch, während er der schwarzen Dampflok zusah, wie sie den extra für sie gebauten, komplizierten Rundkurs durchfuhr.
Er hatte die Eisenbahn für den kleinen Scheißer gekauft, der sich jetzt Max Ducane nannte.
Vor Wut ballte er die Faust, als er daran dachte, dass der Junge den Namen abgelegt hatte, den er ihm gegeben hatte. Da hatte er ihn mit dem zweiten Vornamen seines Bruders Adam geadelt, und jetzt schüttelte er ihn ab. Und den Namen Yeager auch.
Mitch setzte sich in einen zu dick gepolsterten Sessel und trank erneut einen Schluck Milch.
Manche seiner frühesten Erinnerungen kreisten um Adam, wie er in der kleinen Küche mit den schrägen Wänden in dem winzigen, baufälligen Haus im Windschatten der Fischdosenfabriken
von San Pedro einen Topf Milch warm gemacht hatte, einem gemieteten Haus in einer Gegend, wo es nach Fischverarbeitung stank (bis heute brachte Mitch kein Thunfischsandwich hinunter), nur ein paar Straßenzüge von den Docks entfernt, wo die Fischerboote ankerten. Sein Vater arbeitete gelegentlich auf den Booten, wenn die Lage verzweifelt wurde, aber meistens verdiente er sich ein paar Dollar beim Kartenspielen mit Matrosen und Hafenarbeitern.
Als Mitch noch klein war und oft nicht schlafen konnte, hatte Adam immer warme Milch für ihn gemacht. Warme Milch war eine der wenigen angenehmen Erinnerungen, die Mitch an diese Jahre hatte.
Es war typisch für Adam, der sieben Jahre älter war als er, dass er Mitch Mutter und Vater zugleich ersetzt hatte, obwohl ihre Eltern damals beide noch gelebt hatten. Ihre Mutter verbrachte die Stunden, in denen sie nicht trank, im Vollrausch auf dem Sofa oder auf dem Fußboden. Ihr Vater Horace Yeager kam so selten wie möglich nach
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