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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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haben.«
    Nach kurzem Zögern willigte er ein.
    Wir besprachen, wie wir die nächsten Artikel aufbauen wollten. Er zeigte mir, woran er gerade arbeitete: Es war ein Interview mit Auburn Sheffield, das er an diesem Nachmittag geführt hatte und in dem es um das Treuhandvermögen ging sowie darum, weshalb Auburn auf Warrens ungewöhnliche Bitte eingegangen war. O’Connor hatte Auburn gefragt, wie er jetzt darüber dachte, nachdem der Coroner die Leiche des echten Max Ducane identifiziert hatte.
    »Obwohl ich tiefstes Mitgefühl mit Lillian Vanderveer habe«, hatte Auburn gesagt, »und mit Warren Ducane - vorausgesetzt, er erfährt überhaupt von den jüngsten Entwicklungen -, empfinde ich keinerlei Reue hinsichtlich des Treuhandvermögens. Es ist einem jungen Mann zugefallen, an dem Warren aufrichtiges Interesse entwickelt hat, einem jungen Mann, der dem Andenken der Ducanes mit Sicherheit Ehre machen wird.«
    »Das passt richtig gut zu dem, woran ich gearbeitet habe«, sagte ich und wartete, während er las, was ich über Max geschrieben hatte. O’Connor gab ein paar nützliche Kommentare dazu ab - er hatte Recht, ich musste ein bisschen zurückhaltender sein.
    »Ich habe wohl zu viel Mitgefühl mit ihm«, sagte ich und erzählte O’Connor einiges von dem, was mir Max inoffiziell anvertraut hatte.
    »Selbst wenn es nicht inoffiziell gewesen wäre, war es klug von Ihnen, das alles herauszulassen, vor allem, da wir keinerlei Äußerungen von Mr. Yeager dazu haben. Nicht dass ich eine Sekunde lang bezweifeln würde, dass er seine erste Frau misshandelt hat.« Er hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Es ist nichts Schlimmes, Mitgefühl zu haben. Reporter, die vorgeben, objektive, über allem stehende Berichterstatter der Wahrheit
zu sein, lügen sowohl den Lesern als auch sich selbst in die Tasche, und diese Lüge findet sich überall in ihren Artikeln. Sie entwickeln oft eine Art zynischer Verachtung gegenüber allem und jedem, worüber sie schreiben. Zynismus ist aber auch nur eine andere Form von Objektivitätsverlust.«
    »Aber man darf auch kein Einfaltspinsel sein«, erwiderte ich bedrückt.
    »Nein. Es geht darum, dass man darauf achtet, welches Maß an Mitgefühl letztlich in einen Artikel einfließt, vor allem wenn man der einen Seite der Geschichte nicht die andere Seite gegenübergestellt hat. Wenn ich es nicht gemerkt hätte, wäre es spätestens H. G. oder John aufgefallen, aber mit der Zeit lernen Sie selbst, darauf zu achten, lange bevor es gedruckt ist.«
    Mein Telefon klingelte. Es war Lefebvre.
    »Wissen Sie, wo Bijoux ist?«
    »Der Juwelier in der Third Street?«
    »Ja. Können wir uns in zwanzig Minuten dort treffen?«
    »Moment bitte.« Ich hielt die Sprechmuschel zu und erzählte O’Connor von Lefebvres Bitte.
    »Er will Ihnen doch wohl keinen Ring kaufen?«
    »Doch, und zwar einen, den ich Ihnen durch die Nase ziehen kann, falls sie einen haben, der groß genug ist.«
    »Gehen Sie schon«, lachte er. »Nutzen Sie Lefebvres kooperative Stimmung aus, solange sie anhält.«
    »Aber der Redaktionsschluss …«
    »Ich feile noch ein bisschen an der Geschichte, baue das mit ein, was ich von Auburn habe, und gebe es ab - wenn’s Ihnen recht ist.«
    Ich sagte Lefebvre, dass ich pünktlich da sein würde, bedankte mich bei O’Connor, packte meine Kamera und zischte los.
     
    Ich war näher an dem Juweliergeschäft als Lefebvre. Früher hatte das Polizeipräsidium einmal näher bei der Zeitung gelegen,
aber sie waren in den Sechzigerjahren in ein neueres und größeres Gebäude umgezogen, das im Allgemeinen als einer der hässlichsten Bauten von Las Piernas galt, und das nicht nur in den Augen derer, die auf dem Rücksitz eines Streifenwagens dorthin gebracht wurden.
    Lefebvre begrüßte mich, sah zu dem Juweliergeschäft hinüber und sagte: »Soweit ich gehört habe, ist Mr. Belen Diamantenfachmann und der vertrauenswürdigste Juwelier der Stadt.«
    »Das kann ich nicht beurteilen, aber auf jeden Fall gibt es das Bijoux schon ewig.«
    »Als ob Sie ein Gefühl für die Ewigkeit hätten«, entgegnete er. »Bijoux, was?«
    »Die meisten Einheimischen haben Schwierigkeiten mit der Aussprache«, erklärte ich. »Ich habe schon Leute ›Bitschucks‹ sagen hören. Aber bei Ihnen klingt es richtig exotisch.«
    »Ich finde den Namen eher ein bisschen schlicht«, sagte er. »Er bedeutet auf Französisch nichts weiter als ›Schmuck‹.«
    »Und, sind wir hier, um die Vanderveer-Diamanten reinigen zu

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