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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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schrecklicher Verrat vor, und deshalb kämpft man dagegen an. Außerdem gibt einem etwas Materielles eine Art Fixpunkt - im Gegensatz zu den endlosen Fragen.«
    Auf einmal wurde er unsicher, und ihm fiel vor allem auf, dass ihn Lefebvre plötzlich ganz anders ansah.
    »Max, du hast ja nicht in Las Piernas gelebt, deshalb weißt du vielleicht nicht, dass O’Connor hier eine Art Berühmtheit für das erlangt hat, was er zur Unterstützung der Familien von Vermissten tut und dafür, die Identität von unbekannten Toten zu ermitteln.«
    »Sie wollten uns doch das Haus zeigen, Max«, warf O’Connor rasch ein.
    »Ich glaube, wir sollten oben anfangen«, sagte Max und führte sie die breite, geschwungene Treppe hinauf.
    »Schau dir mal das Telefon an«, sagte er zu Irene und deutete auf den Apparat, der auf einem kleinen Flurtischchen mit Marmorplatte stand.

    Das Telefon war wohl schon alt gewesen, als Katy hier gelebt hatte. Es bestand aus schwarzem Bakelit und hatte keine Wählscheibe.
    »Nur ein Nebenanschluss«, erklärte O’Connor.
    »Also ist das Haus noch genau so wie beim letzten Mal, als Sie hier waren?«, fragte Irene O’Connor.
    »Nein«, antwortete Max, ehe O’Connor etwas erwidern konnte. »Lillian hat die äußere Küchentür reparieren und alles streichen lassen. Ich glaube … im Kinderzimmer wurde ein neuer Fußboden verlegt. Gehen wir als Erstes mal dorthin … Wenigstens kann ich jetzt aufhören, mich zu fragen, ob das mal mein Zimmer war«, sagte Max, als sie im Kinderzimmer anlangten.
    »Hast du dich das denn gefragt?«, erkundigte sich Irene.
    »Eigentlich nicht«, antwortete er. Unter den zweifelnden Blicken der anderen trat er an die leere Korbwiege und fuhr mit den Fingern an ihrem Rand entlang. »Ich meine, jeder, der adoptiert ist, hat irgendwann in seiner Kindheit diese Fantasie - man ist natürlich immer der entführte Prinz gewesen und nie das arme, ausgesetzte Findelkind. Warren wirkte so überzeugt davon, dass ich dieser kleine Prinz gewesen bin, dass ich mich selbst gefragt habe, ob es nicht möglich sein könnte. Aber falls du wissen willst, ob ich in diesem Zimmer je ein mystisches Erlebnis hatte oder eine vage Erinnerung an die Kindheit? Nein.«
    O’Connor musste daran denken, wie das Zimmer in dieser Nacht ausgesehen hatte - wie es wirklich ausgesehen hatte. Nicht wie dieser klinisch reine Schrein.
    Die Blutflecken.
    Er hörte Papier rascheln und sah Lefebvre seinen Umschlag öffnen. Fotos. Lefebvre legte einen kleinen Stapel Bilder auf den Wickeltisch. Fast gegen seinen Willen kam O’Connor näher und stellte sich neben Irene.
    In klarem Schwarzweiß zeigte ihm das oberste Bild, wie der
Raum ausgesehen hatte, als Dan Norton eingetroffen war und Rose Hannons Leiche noch auf dem Boden gelegen hatte. Er sah, was Dan in dieser lange vergangenen Nacht gesehen hatte: Blutflecken und Lage des Körpers wiesen darauf hin, dass sie auf dem Fußboden auf die Korbwiege zugekrochen war. Die arme Frau war bei dem Versuch verblutet, das Kind zu erreichen.
    Max spähte über ihre Schultern, erschauerte und wandte sich ab.
    »Sie hatten doch noch mehr Hauspersonal. Ein Hausmädchen, stimmt’s?«, fragte Irene, nahm das oberste Foto und sah sich die nächsten drei an. Es waren noch grausigere Aufnahmen von der Leiche.
    »Ja. Sie hatte aber nichts damit zu tun«, erklärte Lefebvre.
    Irene gab Lefebvre die Fotos zurück. »Ich dachte mir nur gerade, dass Gus Ronden eine ganze Menge über diesen Haushalt gewusst haben muss. Er wusste, dass die Ducanes nicht zu Hause sein würden und das Baby nicht bei seiner Mutter wäre. Er wusste, dass Rose Hannon mit dem Kind allein zu Hause wäre.«
    »Vielleicht hatte er sich darauf eingestellt, beide Frauen umzubringen«, mutmaßte Lefebvre.
    »Mag sein«, erwiderte Irene. »Aber das wäre doch riskanter gewesen, oder nicht?«
    »Schon«, sagte O’Connor. »Aber Dan und ich haben die andere Hausangestellte unter die Lupe genommen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie Gus Ronden gekannt hat.«
    »Lebt sie noch?«, fragte Irene.
    »Ja«, sagte Lefebvre. »Warum bringt Sie das zum Schmunzeln?«
    »Weil Sie nicht wüssten, dass sie noch lebt, wenn Sie sie nicht bereits kontaktiert hätten. Was haben Sie herausgefunden?«

    »Dass ich in Ihrer Gegenwart aufpassen muss, was ich sage.«
    »Jetzt kann ich aber nicht mehr folgen«, murmelte Max.
    »Du musst dir alles vor Augen halten, was in dieser Nacht in Las Piernas passiert ist«, sagte Irene. »Es

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