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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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meine Ehe problematisch gewesen wären.«
    Ich wartete.
    »Sie müssen verstehen, dass Harold die Wahl meiner Eltern war«, sagte Lillian, »und obwohl ich ihn mochte, erschien er mir nicht so romantisch wie die anderen Männer. Doch dann tat er etwas sehr Romantisches: Er bat mich, mit ihm durchzubrennen, und das tat ich auch, Ende April.«
    Helen stand auf und ging auf die großen Fenster zu, die auf den Garten unter ihnen hinausgingen.
    »War Mitch wütend?«, fragte ich.
    »Wütend? Allerdings. Mitch hatte diese irrwitzige Vorstellung - er bildete sich ein, ich hätte Harold nur deshalb so schnell geheiratet, weil ich mit seinem - also Mitchs - Kind schwanger war. Seiner abartigen Theorie zufolge konnte ich ja nichts anderes tun, da Mitch in Untersuchungshaft war und wahrscheinlich ins Gefängnis kommen würde, und deshalb hatte ich vor lauter Verzweiflung Harold zum Narren gehalten.«
    »Sie meinen, Mitch war der Überzeugung, Harold zöge seine Tochter auf?«
    »Genau.«
    »Aber warum sollte er dann Katy etwas zuleide tun?«
    »Ich bin mir nie so sicher gewesen wie andere, dass Mitch selbst hinter all diesen Machenschaften steckt«, sagte Lillian geziert.

    Helen schnaubte verächtlich. »Lillian, sag die Wahrheit.«
    »Na gut. Katy hat ihn gehasst und daraus keinen Hehl gemacht. Sie hat keine Gelegenheit ausgelassen, grob zu ihm zu sein, und das hat ihn ziemlich aufgebracht. Sie hat ihn öffentlich beleidigt, und das lässt sich Mitch von niemandem bieten. Ich bin mir sicher, dass Jack und Helen etwas mit ihrer Einstellung gegenüber Mitch zu tun hatten.«
    »Falls dem so ist«, sagte Helen, »dann bin ich froh darüber.«
    »Tatsächlich?«, erwiderte Lillian. »Und wenn es Katy das Leben gekostet hat?«
    Helen antwortete nicht sofort. Nach einer Weile sagte sie: »Ich bin immer stolz auf Katy gewesen. Wenn Mitch Yeager etwas mit ihrem Tod zu tun gehabt hat und ich es beweisen kann, ist es mir egal, was sie ihm getan hat. Dreh es bloß nicht so hin, als hätte sie verdient, was ihr zugestoßen ist. Ich habe nicht den Anlass zu dem Mord an ihr geliefert, Lillian. Das weißt du genau.«
    »Ja, natürlich«, sagte Lillian. »So habe ich es nicht gemeint. Ich - ach, Nell, du weißt, dass ich sie geliebt habe und stolz auf sie war! Aber du hast mich einfach dermaßen auf die Palme gebracht! Verzeihst du mir?«
    Helen gab ihr keine Antwort.
    »Helen«, sagte ich, »was geschehen ist, ist geschehen - und die Untersuchung nimmt jetzt ihren Lauf. Lillian hat in einem Punkt Recht: Max ist offenbar fest entschlossen, herauszufinden, ob er Katys verschollenes Kind ist oder nicht. Es wird dir nicht gelingen, ihn davon abzuhalten.«
    Sie seufzte und wandte sich mir zu. »Ja, ich glaube, da hast du Recht. Gehen wir, Irene. Ich bin auf einmal sehr müde.«
     
    Sie führte ein kleines Drama auf, als ich ihr beim Einsteigen in den Jeep Hilfe anbot, und maulte herum, wie sehr sie Sicherheitsgurte hasste, als ich mich weigerte, die Beifahrertür zu schließen, bevor sie ihren angelegt hatte. Sie warnte mich davor,
die Tür zuzuknallen, ehe sie endlich nachgab, und zuckte übertrieben heftig zusammen, als ich sie zumachte.
    Ich blieb einen Augenblick neben dem Jeep stehen, als mich auf einmal das Gefühl beschlich, beobachtet zu werden, und ich am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam. Ich wirbelte herum, als könnte ich einen Beobachter auf frischer Tat ertappen, sah aber nichts. Ich blickte mich um. Die Straße lag still da. Keine Gesichter starrten aus den Fenstern in den wenigen Häusern, die ich von hier aus sehen konnte. Zur Wahrung der Privatsphäre waren die Grenzen von Lillians Anwesen mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt. Ich suchte sie ab und hielt Ausschau nach dem Aufblitzen eines Gesichts oder einer Bewegung.
    Hinter mir ging die Beifahrertür des Jeeps auf. Ich brauchte mein erschrockenes Zusammenzucken nicht vorzutäuschen.
    »Was ist los?«, fragte Helen.
    »Ich dachte, ich hätte jemanden meinen Namen rufen hören«, sagte ich, »aber ich habe mich geirrt.«
    »Lügnerin«, erwiderte sie und machte die Tür zu. Sie schloss nicht ganz. Helen riss sie wieder auf, stieß eine imposante Litanei von Schimpfwörtern aus und knallte die Tür ins Schloss.
     
    Die Fahrt zu ihr nach Hause verlief schweigend. Sie ließ sich von mir aus dem Jeep helfen, umarmte mich fest und sagte: »Du hast einen Vormittag mit zwei dummen, streitsüchtigen alten Weibern über dich ergehen lassen. Entschuldige bitte, Irene.«
    »Oh, eine

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