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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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hätte er bereits eine Menge an öffentlicher Aufmerksamkeit verkraften müssen. Doch es konnte gar nicht die Rede davon sein, dass damit schon alles ausgestanden war.
    Die Geschichte wurde von den Nachrichtenagenturen aufgegriffen. Max war ein gefundenes Fressen für das landesweite Interesse der Medien. Er war reich, gut aussehend und zitierfähig. Seine Herkunft lag im Dunkeln. Er besaß Privilegien, die ihm durch reines Glück in den Schoß gefallen waren, und solche, die er zweifellos mithilfe eigener Fähigkeiten erworben hatte, doch einige der Medien ließen sich zu der Unterstellung hinreißen, dass er ein Schwindler sei, der zwei leidgeprüfte reiche Familien geschickt dazu verleitet habe, ihm ein Vermögen zu überschreiben.
    Nach etwa einer Woche wäre die Geschichte vermutlich von der Bildfläche verschwunden, wenn nicht eine Verlautbarung der Familie Ross erschienen wäre. Wie bald das ganze Land erfahren sollte, war Max nun wieder Single. Gisella hatte ihn wenige Minuten, ehe ihr Vater eine Pressekonferenz gab, angerufen und ihre Verlobung gelöst.
    Kurz schwelgte ich in Rachefantasien gegen Gisella Ross und ihre Eltern. Doch schließlich übernahmen meine Kollegen bei den anderen Medien unaufgefordert diese Aufgabe. Nachdem sie Gisella als unfassbar oberflächlich beschrieben hatten, gruben sie eine schmutzige Geschichte über ihre Familie aus, die Max’ Abstammung vergleichsweise nobel erscheinen ließ.
    »Es tut mir ja so Leid, dass ihr das passieren hat müssen«, sagte er zu mir, über diese Berichte empörter als über alles, was über ihn verbreitet worden war.
    Bei einem Abendessen bei uns schüttete er uns sein Herz
aus. Es gab Thunfischauflauf - das Luxusleben der Reichen und Berühmten.
    Max war in dieser Zeit viel mit uns zusammen. Frank hatte offenbar nichts dagegen. Sie hatten sich unabhängig von mir miteinander angefreundet, und obwohl Max nun keine Verlobte mehr hatte, hatte auch Frank mittlerweile kapiert, was Max und ich schon vor langer Zeit begriffen hatten.
    »Wenn ich sie nur bedauern könnte«, sagte ich, »dann würden mich alle irrigerweise für einen viel besseren Menschen halten, als ich in Wirklichkeit bin. Gisella hat dich einfach nicht verdient.«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie war auf die Ereignisse nicht vorbereitet - und auf den ganzen Medienrummel. Sie ist sehr zurückhaltend.«
    Ich verkniff mir eine Entgegnung.
    Er musste mir aber meine Gedanken zumindest teilweise angesehen haben, da er schmunzelte und zu Frank sagte: »Gott stehe jedem bei, der jemandem etwas antut, den Irene gern hat.«
    »Stimmt«, bestätigte Frank. Da er schlauer ist als ich, wechselte er sofort das Thema, indem er Fragen stellte, die zu einer angeregten Debatte darüber führten, wie GPS bei polizeilichen Ermittlungen helfen könnte. Eine Zeit lang vergaß Max seinen Kummer und erklärte uns, wie heutzutage Frachtcontainer mit Signalgebern versehen wurden, mit deren Hilfe man gestohlene Waren aufspüren konnte.
    »Es tut sich auch unheimlich was hinsichtlich der Überwachung von Freigängern«, fuhr Max fort. »Man kann ihnen kleine Sender anlegen, dann weiß man immer, wo sie sind. Man kann die Sender sogar so programmieren, dass sie ein Warnsignal an die lokale Polizei aussenden, wenn sich zum Beispiel ein Kinderschänder einer Schule oder einem Spielplatz nähert.« Das hatte sicher seine Vorteile, aber ich hielt mich zurück und verdarb ihnen die Laune nicht mit der Frage, ob sie in letzter Zeit mal George Orwell gelesen hatten.

    Als Max am Ende des Abends ging, sagte er: »Ich muss unbedingt herausfinden, was aus dem Kind geworden ist. Das versteht ihr doch, oder?«
    »Ja«, erwiderte ich. »Ich habe mir schon überlegt, was wir tun könnten.«
    »Ich auch«, sagte er. »Frank, ich weiß, es hat letztes Mal nicht viel gebracht, aber ich will die Belohnung noch mal anbieten. Vielleicht meldet sich nach all den Jahren doch noch jemand. Ich erhöhe sie auf zweihundertfünfzigtausend und zahle der Polizei einen Zuschuss, damit sie mehr Leute an die Telefone setzen kann. Ich weiß nicht, was erlaubt ist und was nicht, aber - kannst du mir dabei helfen?«
    »Klar«, antwortete Frank. »Ich muss es nur erst mit meinem Vorgesetzten besprechen. Ich rufe dich morgen an.«
     
    Die Belohnung ließ auch bei uns die Telefone wieder klingeln. Manche Anrufer waren zum Zeitpunkt der Entführung noch nicht einmal auf der Welt gewesen. Auch meldete sich eine Frau, deren »unterdrückte Erinnerung« sie

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