Totenruhe
gebraucht, oder? Vielleicht suchst du aber auch nur nach einem Vorwand, früher nach Hause gehen zu können.«
Sie setzte sich. »Ich liebe meine Arbeit, aber - Ethan traue ich einfach nicht!«, stieß sie hervor.
»Ich kann dich nicht zwingen, ihm zu trauen. Ich werd’s nicht mal versuchen. Aber wenn du weiterhin zusammen mit mir an Beiträgen arbeiten willst, wirst du auch mit Ethan zusammenarbeiten müssen.«
Er wartete am Spätnachmittag in einem Besprechungsraum gleich neben dem Archiv auf uns. Er hatte alle unsere Beiträge über die alten Fälle von 1958 und 1978 gelesen, die in den Wochen, als wir auf das Ergebnis von Max’ DNA-Untersuchung gewartet hatten, als Serie im Express erschienen waren. Hailey fasste kurz zusammen, was wir uns bisher vorgenommen hatten - Artikel über die geschäftlichen Verbindungen zwischen den Ducanes, Linworths und Yeagers sowie sämtliche privaten Hintergrundinformationen, die wir auftreiben konnten.
»Wir glauben, dass die Linworths und die Ducanes Mitch Yeager um einiges Geld gebracht haben, als er 1936 inhaftiert war«, sagte Hailey. »Die Kaution für ihn ist sehr hoch angesetzt worden, und er brauchte Bargeld. Außerdem hat er auch noch seine Anwälte bezahlen müssen.«
»War seine Familie denn nicht reich?«, fragte Ethan.
»Seine Familie hat sich im Alkoholschmuggel betätigt«, erwiderte ich, »aber die Prohibition war soeben zu Ende gegangen, daher war das nicht mehr lukrativ.«
»Barrett Ducane hat sich erboten, Yeager bei der Beschaffung von Bargeld behilflich zu sein, indem er ihm einige seiner Beteiligungen abgekauft hat, doch die Kapitalanlagen waren wesentlich mehr wert, als Ducane dafür bezahlt hat«, fuhr Hailey fort. »Linworth hat Yeager auch ein paar Anlagewerte
abgekauft, ebenfalls zu seinem Vorteil, allerdings nicht ganz so krass wie bei Ducane. Ducane und Linworth wussten ganz genau, dass sich mit dem bevorstehenden Krieg in Europa und anderswo Geld machen ließ, deshalb haben sie sich Firmen ausgesucht, die man leicht zu Fabriken für Flugzeugersatzteile, Munition und dergleichen umfunktionieren konnte.«
»Was hast du heute herausgefunden?«, fragte ich Ethan.
»Wahrscheinlich nichts, was uns viel weiterbringt«, erwiderte er.
Hailey grinste hämisch.
Er holte tief Luft und erklärte ihr, warum er Recherchen über die Firma Eden Supply angestellt hatte. »Sie hat zu Granville Enterprises gehört. Granville war der Eigner mehrerer kleinerer, landwirtschaftlich orientierter Betriebe. Granville war ein Familienname - und zwar der von Mitch Yeagers Großvater.«
»Der 1945 schon lange tot war«, sagte Hailey. »Also hat die Firma damals Mitch gehört.«
»Was nicht beweist, dass er gewusst hat, was ein Fahrer einer Tochterfirma mit seinem Laster auf eine Orangenplantage transportiert hat«, gab Ethan zu bedenken. »Oder dass er gewusst hat, dass Harmon über vier Landkreise verstreut Frauen umgebracht und verscharrt hat. Falls Yeager es doch gewusst haben sollte, so wird das schwer zu beweisen sein.«
»Das war schon immer das Problem bei ihm«, sagte ich. »Er ist da, aber er ist nicht zu fassen.«
»Was meinst du damit?«, fragte Ethan. »Ich dachte, es waren seine Neffen und Lakaien, die die ganzen Morde begangen haben.«
»Deswegen ist er ja nicht zu fassen«, erklärte Hailey ungeduldig.
Ich warf ihr einen Blick zu, der sie ermahnte, sich besser in Zurückhaltung zu üben. Zurückhaltung lag Hailey überhaupt nicht, was ihr zwar in ihrem Beruf als Reporterin zugute kam, die Arbeit mit ihr aber nervtötend machte.
»Erzähl das doch mal ausführlicher«, bat er und sah mich an.
»Du hast die ursprünglichen Geständnisse von Eric und Ian gelesen, die, die sie dann widerrufen haben?«
»Ja.«
»O’Connor hat mal eine Bemerkung über die Aussagen der beiden gemacht - über ihre Theorien, wie man am besten jemanden bestraft. Er hat es das ›Yeager’sche Glaubensbekenntnis‹ genannt.« Ich schlug eine Seite in meinen Notizen auf und las vor: »Wenn Sie wollen, dass Ihr Feind leidet, bringen Sie die Menschen um, die er liebt, und verstecken die Leichen - dann muss er sich die ganze Zeit mit der Frage quälen, ob sie noch leben oder tot sind. Nichts ist schlimmer als das. Nichts.«
»Das war von Eric«, sagte Hailey, während sie ihre eigenen Notizen herauszog. »Ian hat sich sehr ähnlich ausgedrückt: ›Wenn man die Leute umbringt, die er liebt, und die Leichen versteckt - wenn man sie entführt und dafür sorgt, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher