Totenschleuse
Sofa. Ich muss dich sprechen. Unter vier Augen.«
»Regina, ich …«
Molsen sah Lüthje und Malbek hilfesuchend an. Als sie nickten, verließ er mit seiner Tochter das Zimmer.
Ein Duft, der wie tizianrotes Feuerwerk in seinem Kopf knisterte, umhüllte Malbek. Er musste die Augen für einen Moment schließen.
»Ich hoffe, dass sich sein Blutdruck beherrscht«, sagte Malbek.
»Erscheint sie auf dem Schlachtfeld?« Lüthje sah zur Decke, als hätte er Röntgenaugen.
»Manuela bleibt unsichtbar, wetten?«, sagte Malbek. »Sie hat so etwas kommen sehen. Und trotzdem hat sie sich hier einquartiert.«
Die Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter fand auf dem Flur in unmittelbarer Nähe der Zimmertür statt. So konnten Malbek und Lüthje dem wesentlichen Teil des lautstarken Schlagabtausches bequem vom Sofa aus folgen.
»Wie konntest du das tun?«, schrie die Tochter. »Jeder spricht darüber! Jeder auf Sylt scheint es zu begreifen. Nur du nicht. Die Zeit für einsame Entscheidungen ist vorbei!«
»Du verstehst das nicht …«
»Ja natürlich, die alte Leier! Deine Tochter ist zu dumm, zu naiv, zu jung, immer mit dem Kopf durch die Wand. Nein, dein emotionaler Intelligenzquotient ist endgültig auf null gesunken! Regression nennt man das. Du entwickelst dich zum Kleinkind!«
»Schrei nicht so. Man kann dich hören!«
»Ich bin froh, dass ich endlich schreien kann! Das hätte ich immer schon tun sollen. Die Polizei weiß doch Bescheid. Deswegen sitzen die doch da zu zweit auf deiner Sitzgarnitur. Aber ich mache das nicht mehr mit. Ich lasse mich da nicht mit reinziehen. Du machst alles kaputt. Alles kaputt!«
Wieder hörte man das hektische Klackern auf dem Marmorfußboden. Die Haustür schlug zu. Malbek erhob sich, machte einen Satz zur Zimmertür und blieb abrupt stehen. Die Haustür war wieder aufgegangen.
»Und ich sage dir noch etwas«, hörte man wieder Regina Molsens Stimme schreien. »Nach Mamas Tod fing das an mit dir. Ohne eine starke Frau gehst du nämlich unter. Glaubst du, du hast sie jetzt wiedergefunden? Muttersöhnchen!«
Die Haustür schlug knallend zu. Irgendetwas zerbrach im Haus mit lautem Klirren.
»Du diskutierst das mit Herrn Molsen«, sagte Malbek zu Lüthje. »Und ich mit seiner Tochter. Bis bald.«
Malbek lief mit freundlicher Miene an Axel Molsen vorbei, der zur Salzsäule erstarrt war, und zog die schwere Haustür sanft ins Schloss.
15.
Als Malbek hinter Regina Molsens tizianrotem Porsche hinterherfuhr, wurde ihm klar, dass sich sein Wohnmobil nicht nur in der Höchstgeschwindigkeit von diesem PS-Monster unterschied. Solche Vehikel wie seines gab es hier einfach nicht. Das Wohnmobil fiel auf wie ein bunter Hund. Es war alt und klapprig und wurde durch einen lärmenden Diesel mit sechsundsiebzig Pferdestärken mühsam fortbewegt.
Auf einem einsamen Straßenabschnitt fuhr der Porsche auf der Höhe einer etwas abgeknickten Straßenlaterne an den Straßenrand und blieb mit leise blubberndem Motor stehen. Malbek hielt dahinter und stieg aus.
Regina Molsen ließ die Seitenscheibe herunterfahren und sah zu ihm hoch. »Diese Kiste war mir vor dem Haus meines Vaters schon aufgefallen. Sie belästigen mich.«
»Tut mir leid, Frau Molsen.« Er hielt ihr seinen Dienstausweis entgegen, den sie aufmerksam musterte. »Ich ermittle im Mordfall Markus Peters, ein ehemaliger Auszubildender der Reederei Molsen. Ich habe einige Fragen an Sie.«
»Malbek? Sind Sie nicht der Freund von Jette Rasmussen? Soll das eine Tarnung sein?« Sie sah belustigt auf das Wohnmobil.
»Es ist mein Zuhause.«
»Oh. Tut mir leid. Davon hat mir Jette gar nichts erzählt.« In ihrem Tonfall schwang echtes Mitleid mit.
»Aber die Kiste kann ich immerhin auf meinem eigenen Grundstück parken. Wenn ich Feierabend habe. Hat Ihnen Jette davon auch nichts erzählt?«
»Nein. Lassen Sie uns keine Zeit verlieren, ich stehe Ihnen zur Verfügung. Jedenfalls was diese Befragung betrifft.« Sie lächelte nicht. »Steigen Sie ein.« Die Beifahrertür öffnete sich wie von Geisterhand.
Er glitt vorsichtig auf den Sitz, der ihn umschloss wie eine Riesenhand. Der Innenraum duftete nach diesem betäubenden Feuerwerksparfüm. Sie fuhr los.
Ein paar Stunden auf Sylt, und schon saß er nachts neben einer tizianroten, wohlgeformten Frau, Reedereierbin, in ihrem tizianroten Porsche. Es ging aufwärts. Gleich würden sie am pechschwarzen Meer sein und in der Dunkelheit der Brandung lauschen. Er hörte es schon in seinen
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