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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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seinem, sagen wir mal, näheren Umfeld ist, bei dem wir auf seine Mithilfe angewiesen sind.«
    Malbek wandte sich zu Molsen, der ihm gegenübersaß. »Habe ich das so richtig formuliert, Herr Molsen?«
    »Nein. Das mit dem ›näheren Umfeld‹ sehe ich etwas anders«, sagte er mit säuerlicher Miene.
    »Wie geht es Frau Bönig?« Molsen sah Lüthje an.
    »Wohl besser. Sie packt aus«, antwortete Lüthje.
    Molsens Augenlider zuckten, er nahm seine Nickelbrille ab und drehte prüfend das Gestell herum.
    »Ich meinte, dass Frau Bönig ihre Tasche auspackt«, setzte Lüthje milde lächelnd hinzu. Lüthje setzte sich in einen der weißen Ledersessel, der etwas außerhalb der Sitzgruppe stand.
    »Ich habe Herrn Molsen außerdem gefragt, ob er irgendeinen Zusammenhang sieht zu dem Mord an seinem Auszubildenden Markus Peters. Wir sind einige Möglichkeiten gemeinsam durchgegangen, und er meinte –«
    »Ein klares Nein. Absolut nein! Das ist Unsinn!« An Molsens rechter Schläfe pochte jetzt deutlich sichtbar eine Ader, die wie ein sich windender Flusslauf über die vergessene Mündung nachzudenken schien.
    »Herr Molsen, woher kennen Sie Frau Bönig?«, fragte Malbek.
    »In einem Sommer vor … Jahren, ich kann mich nicht mehr so genau erinnern, eine Party bei Freunden in Keitum … nein, ich glaube in der Nähe von Achtrum, ja, ich erinnere mich deshalb so gut, weil die ein Haus in der Einflugschneise des Flughafens hatten, je nach Windrichtung natürlich, das mit dem Flugverkehr auf der Insel hat ja Ausmaße angenommen … ja, und seine Frau hat Witze darüber gemacht, dass sie am Düsengeräusch hören kann, ob ihr Mann zum Dinner da ist, ja, genau das war es.«
    »Wann war das?«
    »Mein Gott, ich weiß es nicht mehr, die Jahre vergehen so schnell, eins ist wie das andere, das merkt man sich doch nicht, außer …«
    »Außer?«
    »Dem Tod meiner Eltern und etwas später meiner Frau, ich erzählte es Ihnen schon.«
    »Nein, vom Tod Ihrer Eltern haben Sie mir nichts erzählt.«
    »Sie sind 2000 mit der Concorde bei Paris abgestürzt.«
    »Oh«, machte Malbek.
    »Ja, es war hart.« Er beugte sich vor, arbeitete dabei mit den Armen, als müsse er sich aus dem weichen Ledersessel frei rudern, und sah Malbek an, als ob er dankbar wäre für dieses schlichte »Oh«. »Der Reederei ging es damals nicht so gut. Hätte ich alles verkaufen sollen? Ich war Alleinerbe, ich hätte machen können, was ich wollte!« Ein leises, überlegenes Lächeln umspielte seine Lippen. Er sah Malbek und Lüthje an, als müsse er sich jetzt wieder entscheiden. »Das Familienunternehmen! Nein, das war ich meinem Großvater Christian Molsen, dem Gründer, doch schuldig.«
    »Aber jetzt geht es der Reederei doch gut, oder?«, fragte Lüthje.
    Molsen lachte trocken und kurz. »Das kann man nicht mit damals vergleichen«, sagte er ausweichend. »Aber ja, es geht ihr besser als damals.« Nach einem Augenblick des Nachdenkens setzte er hinzu: »Ja, darauf kann ich stolz sein. Wirklich stolz.« Er streckte mühsam seinen Rücken, als müsse er dabei eine Last heben.
    »Was haben Sie vorher gemacht? Ich meine, bevor Sie die Reederei erbten.«
    »Ich habe es vergessen.« Er sah Malbek trotzig amüsiert an. »Wie nennt man das heute? Lobby-Arbeit? Public Relations? Wozu wollen Sie das überhaupt wissen? Muss ich mir das überhaupt alles zumuten? Ich sollte meinen Anwalt anrufen.«
    Er versank wieder in sich, mahlte mit dem Unterkiefer und rieb sich das linke Ohrläppchen.
    Lüthjes Diensthandy summte.
    »Lüthje.«
    »Ein Porsche fährt die Einfahrt hoch. Sollen wir kontrollieren?« Es waren die Kollegen von der Sylter Polizei in ihrem Wagen vor dem Haus.
    »Erwarten Sie Besuch, Herr Molsen?«, fragte Lüthje, während er das Handy weiter am Ohr hielt.
    »Meine Tochter wollte heute hier übernachten. Sie fährt einen Porsche.«
    »Eine Frau steigt aus und geht zur Tür. Sie hat offensichtlich einen Schlüssel«, gab Lüthje weiter. »Danke, okay.« Lüthje beendete das Gespräch.
    Die Haustür fiel zu, zwei Damenschuhe klackerten über den Marmorfußboden im Flur. Eine Frau öffnete die Tür, wild frisiert, tizianrot gefärbtes Haar, figurbetontes Kostüm im selben Farbton, mit dem Blick einer Frau, die gewohnt war, im Mittelpunkt zu stehen. Sie sah die Männer vor sich wie ekelerregende Insekten an.
    »Na, Papa, hat man dich schon verhaftet?« Sie sah abschätzend auf Lüthje, eine Sekunde länger auf Malbek. »Polizei vor der Haustür und auf dem

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