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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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ob Sie ihn kennen. Er hat mir davon abgeraten, nur mit einem Anwalt mit Ihnen zu reden. Schließlich habe ich nichts zu verbergen. Hier oben sind zwei Wohnungen.« Sie schnäuzte sich lautstark in ein Papiertaschentuch. »Seine Tochter wohnt hier auch manchmal. Regina. Gelegentlich. Wenn sie auf Sylt ist.«
    »Duzen Sie sich eigentlich? Mit Herrn Molsen und seiner Tochter, meine ich.«
    »Ja. Das ist nichts Besonderes, wenn Sie das meinen. Das tun hier viele auf Sylt. Irgendwie ist es wie eine große Familie. Kennen Sie Regina näher?«, fragte Manuela Bönig.
    Lüthje lächelte. »Nein, ich hatte noch nicht das Vergnügen.«
    Sie schien erleichtert.
    »Wir sehen uns hier manchmal«, sagte Manuela Bönig. »Wie das so ist. Man kennt sich, ohne sagen zu können, wann man sich das erste Mal gesehen hat.«
    »Eben wie eine große Familie«, sagte Lüthje.
    »Wie? Ach so, ja, ich bin immer noch durcheinander. Verzeihen Sie.«
    »Das ist doch verständlich. Warum waren Sie heute in Hamburg, wenn Sie doch schon die Einladung für die Vernissage hatten?«
    »Ich dachte, ich würde es noch rechtzeitig schaffen. Aber … es gibt so viele Einladungen hier, und man muss ja auch mal seinen Geschäften nachgehen. Wir, ich meine, ich bin noch nicht in der Situation, dass … Vielleicht war es ja Selbstmord …«
    »Wie kommen Sie jetzt darauf?«
    »Nein. Nein. Ich glaube eher …« Sie fixierte einen imaginären Punkt an der Wand. »Vielleicht hatte er einen seiner sogenannten Freunde mitgebracht, wie so oft. Sie kamen betrunken und haben sich hier richtig volllaufen lassen. Ich kannte diese Männer nicht. Vielleicht zwei oder drei.« Sie senkte den Blick und blieb wieder an dem Punkt an der Wand hängen. Sie schien mit sich selbst zu reden.
    »Haben Sie den Verdacht, dass einer dieser Männer Ihren Mann umgebracht haben könnte?«
    »Oder doch Selbstmord … er hatte so … ja, ein Beispiel, wir sind nach Niebüll unterwegs gewesen. Er fuhr praktisch nur auf der Überholspur, dann kam uns ein Wagen entgegen, der nicht die Lichthupe betätigte wie alle anderen. Es war ein Leichenwagen. Frank sagte, vielleicht klappt’s das nächste Mal. Das war doch ein Zeichen, nicht? So etwas gibt es. Es war ein Zeichen.«
    »Und was schließen Sie daraus?«
    »Es war Todessehnsucht.«
    »Sie kennen sich damit aus?«
    »Nein, ich habe früher viel gelesen. Ich hatte mich sogar an der Schauspielschule in Hamburg beworben. Sie wollten mich nicht. Dann habe ich Bühnenbildnerei gemacht. Dann traf ich Frank in der Kantine des Schauspielhauses. Da kann jeder rein. Da an dem Durchgang zum Parkhaus rechts. Erst später erfuhr ich, dass er keinen Sinn für Theater hatte.« Sie hielt inne, schüttelte den Kopf und sprach weiter, als habe sie Angst, die Geschichte nicht zu Ende bringen zu können. »Ich saß mit einer Freundin allein an einem großen Tisch. Er kam mit Kollegen, Freunden, und sie setzten sich zu uns. Wir haben über den Spruch des Tages in der Kantine diskutiert. Jeden Tag stand auf der Tafel mit den Tagesgerichten mit Kreide geschrieben ein Spruch. An diesem Tag war es ›Menschen finden es leichter, sich als Ergebnis der Vergangenheit statt als Grund für die Zukunft zu begreifen‹. Ich kann mich komischerweise noch genau daran erinnern. Niemand von uns wusste, wer das gesagt hat. Frank sagte, diese Diskussion wäre überflüssig, weil es um die Vergangenheit ginge. Seht in die Zukunft, sagte er. Von da an hing ich an seinen Lippen. Jedenfalls zwei Jahre. Aber da war es schon zu spät. Ich saß plötzlich hier in meiner Boutique. Die er mir finanziert hat.«
    »Danke, Frau Bönig. Wir wollen für heute Schluss machen. Ich schau mal unten, wie weit mein Kollege mit Herrn Molsen ist. Hier ist meine Karte. Rufen Sie mich jederzeit an, wenn Sie etwas sagen wollen. Und falls Sie verreisen wollen, melden Sie sich unter Angabe Ihrer Zieladresse bei der Polizeistation Westerland ab.« Lüthje stand auf.
    »Ich habe eine Frage«, sagte sie zögernd.
    »Ja?«
    »Wieso sind Sie eigentlich zu zweit da?«
    »Wie?«
    »Ja, sonst ist immer nur ein Kommissar da. Jedenfalls im Fernsehen. Aber Sie sind doch beide Kommissare. Oder?«
    »Zufall.«
    »Schade.«
    »Wieso?«
    »Ich dachte, das mit Frank sei so wichtig.«

14.
     
    »Herr Kollege, treten Sie näher«, sagte Malbek, als Lüthje fragend durch die nur einen Spalt geöffnete Tür sah. »Ich hatte gerade mit Herrn Molsen darüber gesprochen, dass dies der zweite gewaltsame Todesfall in

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