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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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sagte er und druckste herum, bis er glaubte, die richtigen Worte gefunden zu haben. »Wissen Sie, dass ich dafür verantwortlich bin, dass Sie hier sind?«
    Sie sah ihn überrascht von der Seite an.
    »Wissen Sie es? Oder nicht?«, fragte Malbek unsicher.
    »Na ja, wenn das alles nicht passiert wäre … Oder was meinen Sie jetzt?«, fragte sie zögernd.
    »Den Zusammenbruch an sich, ich meine, nicht konkret in der Gerichtsmedizin, aber überhaupt, den wollten Sie doch.«
    »Sie spinnen!« Sie blieb stehen.
    »Ich wollte, dass Sie eine Chance bekommen, irgendwann aus der Scheiße herauszukommen, eine Entscheidung durch Zusammenbruch. Die hätten Sie doch sonst verpasst. Vielleicht für immer. Da hab ich Sie zur Gerichtsmedizin zur Identifikation fahren lassen. Obwohl wir das hätten umgehen können.«
    Sie brauchte einen Moment, um es zu verarbeiten.
    »Sie haben doch keine Ahnung!« Ihre Stimme überschlug sich. Sie hustete. »Solche Schlaumeier wie Sie finde ich einfach zum Kotzen, ja, zum Kotzen! Sie sind doch auch nur so ein beschissener Bulle!« Sie sank weinend an einem Baum zusammen und kauerte sich hin. »Keine Ahnung haben Sie … keine Ahnung … so eine Gemeinheit.«
    »Sie haben es doch darauf angelegt!«, sagte Malbek laut. »Und nicht gewusst, wie Sie aus der Scheiße herauskommen. Ich bin immer so dazwischen, haben Sie eben gesagt. Und dass man dann irgendwann eine Entscheidung will. Das haben Sie doch eben auch gesagt.«
    »Das ist Scheiße, seien Sie endlich still!« Sie hielt sich die Ohren zu.
    »Blöd war nur, dass ich Ihnen die Entscheidung abnehmen musste.« Er redete jetzt leise mit sich selbst. Und sah sie vor sich auf dem Gras kauern, die Hände gegen die Ohren gepresst, beide Ärmel waren hochgerutscht. Ihre Augen, zu Schlitzen verengt, warteten darauf, dass sich seine Lippen endlich schlossen. »Sie sind in der Gerichtsmedizin einfach umgekippt. Endlich. Dörte, es tut mir leid, das ist ja das Verrückte!«
    Plötzlich kicherte sie, nahm die Hände von den Ohren, zeigte mit einem Zeigefinger auf sein Gesicht, begann zu lachen, dass ihr die Tränen liefen.
    Malbek fühlte sich hilflos. Er wusste nicht, ob er dem Impuls nachgeben sollte, auch zu lachen. Es gab doch überhaupt nichts zu lachen. Vielleicht hatte sie einen Nervenzusammenbruch oder einen Schub von irgendetwas.
    Ihr Lachanfall ebbte ab, und sie versuchte, etwas zu sagen. Sie holte Luft. »Ihr Pflaster … es hängt Ihnen … im Gesicht … und Sie gucken dabei so … komisch.«
    Er fasste sich an die Nase. Das Pflaster hing ihm wie ein kleiner Lappen von der Nase herunter. Es musste sich während des Streits an der Seite gelöst haben, auf der sie es vorhin abgezogen hatte. Er zog es ganz ab, sah es an und konnte endlich mit ihr lachen.
    Sie gingen zurück zum Hochhaus. Sie wurde von einer Sekunde zur anderen wieder ernst und sagte immer wieder kopfschüttelnd: »Sie sind wirklich ein komischer Typ.«
    Am Fahrstuhl fragte sie: »Lassen Sie mich allein hochfahren? Ich muss das üben.«
    Er nickte.
    Als sich die Fahrstuhltür öffnete, drehte sie sich zu ihm um und sagte: »Ich wollte Ihnen auch ein Geständnis machen. Wir haben ihn beide geliebt, den Markus. Madamchen und ich. Das war schlimm. Versprechen Sie mir, dass Sie den Täter fassen. Er muss büßen. Versprechen Sie mir das.«
    »Ich verspreche es«, sagte Malbek und berührte sie sacht an der Schulter. Sie betrat den Fahrstuhl, gerade rechtzeitig, bevor die Kabinentür sich wieder schloss.
    Er wartete, bis die Leuchtziffern über der Tür den vierundzwanzigsten Stock anzeigten, und forderte den Fahrstuhl per Knopfdruck an. Als er unten ankam, war er leer.
    Eine Viertelstunde später war Malbek auf der B76 auf dem Weg nach Kiel. Er rief auf der Station an und fragte nach Dörte Schneider.
    Mit einem Lächeln in der Stimme antwortete jemand: »Ja, sie ist oben angekommen.« Es war Dörte. Offensichtlich hatte sie neben dem Stationstelefon gesessen. »Grüßen Sie bitte Frau Hoyer von mir.«

18.
     
    Auf der Weiterfahrt nach Kiel rief er bei der Reederei an und fragte nach Petra Lantau.
    »Die arbeitet nicht mehr bei uns«, sagte die weibliche Stimme schnippisch. Sie zog das Wort »die« etwas zu sehr in die Länge.
    »Seit wann?«
    »Das weiß ich nicht so genau.«
    »Verbinden Sie mich mit Herrn Geerdsen.«
    »Einen Moment bitte!«
    Malbek wurde in die Warteschleife geschaltet.
    In dünner Tonqualität schwappte die Titelmelodie der Fernsehserie »Die Onedin-Linie«

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