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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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sagte sie.

26.
     
    Regina Molsen trug ein kleines Schwarzes, vorn hochgeschlossen, hinten endlos tief ausgeschnitten, eine glitzernde Kette aus winzigen Steinen und mondsichelartige Ohrringe, auf denen es ebenfalls glitzerte. Sie küsste ihn zur Begrüßung auf die Nasenspitze. Es schmerzte nicht.
    »Es ist doch ein bisschen kalt«, lachte sie und lief mit um den Körper geschlungenen Armen voraus zum Eingang. Sie tat so, als ob sie sich seit Jahren kannten.
    Von außen war der »Seeigel« dem Anwesen der Molsens nicht unähnlich. Der Gastraum allerdings hatte den Charme der verglasten Eingangshalle eines Wohnturms aus den siebziger Jahren.
    »Aber das Essen ist phantastisch«, flüsterte Regina ihm ins Ohr, als sie sah, wie sich Malbeks Miene verdüsterte.
    Jeder Tisch hatte ein eigenes Fenster mit Meerblick und war durch Raumteiler aus Reetbündeln und üppige Vorhänge an den Wänden in eine Art Separee verwandelt worden. Das Licht der untergegangenen Sonne war vom fahlen Gelb in tiefes Rot übergegangen, das dunkelgraue, zerfetzte Wolkenschleier am Horizont von unten beleuchtete.
    Regina wünschte sich etwas herzhaft Fleischiges, ihr sei einfach danach, sagte sie. Malbek wählte den Fisch des Tages. Es war glücklicherweise Dorsch. Sechs Variationen gab es zur Auswahl, mit Pilzen, mit Trüffeln, mit Speck, aber auch mediterran. Wie es wohl seinem Dorsch in der Kantinenkühltruhe ging? Er wählte die Hausmacherart an Dijon-Senfsauce. Mit hausgemachtem Kartoffelsalat an Speckwürfeln vom Holsteiner Sattelschwein. Sie nahm ein Steak vom Deichlamm, blutig wie immer, sagte sie zum Kellner, mit Bio-Bohnen aus Angeln. Als Vorspeise wählten sie Austern, Sylter Royal. Malbek bestellte ein frisches Duburger Pils vom Fass. Und Regina zu seiner Freude auch. Der Kellner nahm die Weinkarte mit steinerner Miene vom Tisch.
    So weit, so gut, dachte Malbek. Er hatte sich nicht in Schale geworfen, damit es bei Regina nicht zu Missverständnissen kam. Wenn ihn hier jemand mit ihr sah, konnte er mit dem Hinweis auf seine Alltagsbekleidung – Lederjacke, Hemd und schwarze Stoffhose – auf den dienstlichen Charakter des Treffens verweisen.
    »Manuela Bönig hat mir heute ein Geheimnis verraten.«
    Sie sah ihn ärgerlich an.
    »Ich bin nur der Bote, nicht die Nachricht.« Er hob abwehrend die Hände. »Ich habe ihr heute noch einige Fragen gestellt. Sie behauptet, dass Ihr Vater sie heiraten will.«
    »Ja, und sie sind schon verlobt, das hat sie auch gesagt, nicht wahr?«
    Sie schwieg. Eine wutfunkensprühende Aura umgab sie.
    »Und Ihr Vater hatte heute Besuch«, setzte Malbek hinzu.
    Sie lächelte versonnen. »Raten Sie mal, wer ihn überredet hat, das Bild zu kaufen.«
    »Ich weiß auch, wer es eingefädelt hat, dass Rita möglichst heute das Gemälde bei ihm aufhängt. Wahrscheinlich haben Sie Ihrem Vater auch gesagt, dass es sich so gehört, die Künstlerin zum Essen einzuladen. Ich hoffe, nicht hier.« Er sah suchend um sich. Von den fünfzehn Tischen waren acht besetzt. Rita war nicht zu sehen. Ihr Bruder mit Hilly auch nicht.
    »Ich habe ihm gesagt, dass der ›Seeigel‹ nach meinen Informationen für heute Abend ausgebucht ist«, sagte sie listig. »Ich wüsste es von Freunden. Es ist Ihnen doch lieber, wenn Rita Sie hier nicht mit mir sieht, sie ist schließlich die Schwester Ihres Kollegen und Freundes Eric Lüthje. Und der wiederum würde es nicht so gerne sehen, wenn Sie mit einer wichtigen Zeugin hier zu Abend essen. Haben Sie ihm erzählt, wem die Fingernägel gehören, die Ihre Nase zerkratzt haben?«
    »Ja.«
    »Kompliment. Dann wäre es doch eigentlich konsequent, ihn auch wissen zu lassen, dass wir hier verabredet sind.«
    »Ich habe Ihnen eine Ladung zur Zeugenvernehmung geschickt. Sie haben sich daraufhin mit mir verabredet, weil es sich hier besser reden lässt.«
    »Natürlich.« Sie hob ihr Glas und trank einen Schluck. Sie wischte den Schaum langsam von ihrer Oberlippe ab und sah ihm dabei in die Augen.
    »Ich habe noch etwas mehr nachgeholfen. Ich habe ihm das Bild geschenkt. Zur Versöhnung. Ich hab ihn beobachtet, als er mit Ihnen davorstand. Es ist üblich, dass die Künstlerin das Bild persönlich hängt. Hört sich furchtbar an, finden Sie nicht auch? Aber so sagt man es nun mal. Sie wird das Zimmer aussuchen, das Licht, die Wand, die Höhe.«
    »So schnell Versöhnung? Nach dem, was Sie Ihrem Vater so an den Kopf geworfen haben?«
    »Das kommt bei uns öfter vor. Einer von uns beiden macht dann

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