Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
wieder.
»Ja, Herr Schwiete?« Auffordernd sah sie ihm ins Gesicht.
»Äh, ich, äh … meine …« Er holte noch einmal Luft und nahm dann allen Mut zusammen. »Also, Frau Raabe, ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll, und ich weiß auch nicht, ob ich Ihnen damit zu nahe trete oder mich zum Trottel der Nation mache …«
Wieder brach Schwiete den Satz ab.
»Ja?«, entgegnete Karen Raabe auffordernd und hielt den Blickkontakt.
»Ich meine, ich wollte fragen, ob Sie Lust haben, mit mir essen zu gehen.« Geschafft! Schwiete war erleichtert und verunsichert zugleich.
Karen Raabe lächelte. »Ja!«
»Ja?« Schwiete war sprachlos. »Ja, also, ich meine …?«
Karen Raabe half ihm: »Wann?«
»Äh, ja richtig, wann? Morgen Abend?«, brachte Schwiete hervor und wunderte sich über sich selbst.
»Gut«, sagte Karen Raabe. »Wo?«
»Ja, wo? Ich gehe eigentlich nie essen«, bekannte Schwiete. »Und schon gar nicht mit einer Frau.«
Karen Raabe lächelte ihn weiter an.
»Ja, also …« Er nahm einen neuen Anlauf. »Ich war neulich mit meinem Nachbarn in Silos Kebaphaus, das ist ein Türke in der Heiersstraße. Das ist vielleicht nicht unbedingt das Richtige zum Essengehen, ich meine …«
Karen Raabe lächelte immer noch. »Silos Kebaphaus kenne ich! Sagen wir, um acht?«
Schwiete starrte sie an. Machte den Mund auf, schluckte, schloss ihn, öffnete ihn wieder und stammelte: »Okay, um acht!«
35
Auch wenn Horst Schwiete sich nur ungern in Krankenhäusern aufhielt, beschloss er, einer Meldung der Ambulanz des St. Johannisstiftes selbst nachzugehen. Gestern spätabends war dort ein Mann eingeliefert worden, der nicht nur übel zusammengeschlagen worden war, sondern dem man auch noch ein halbes Ohr abgetrennt hatte. Laut den Papieren, die er bei sich trug, handelte es sich um einen achtunddreißigjährigen Mann, der ursprünglich aus Russland stammte. Schwietes Leute hatten die Personaldaten rasch durch den Computer laufen lassen und herausgefunden, dass der Herr Angestellter des Erotikclubs Oase war. Mit diesem Club schien einiges nicht zu stimmen, fand Schwiete und erklärte die Angelegenheit zur Chefsache.
Der verletzte Türsteher war von der Intensivstation bereits in ein normales Krankenzimmer verlegt worden, erfuhr Schwiete an der Rezeption. Man nannte ihm die Station und die Zimmernummer. Auf der Station angekommen, ging er zur Stationsleitung, um sich ordnungsgemäß anzumelden. Die Stationsschwester musterte ihn kritisch und versprach dann, den Oberarzt zu holen.
Sie kehrte zurück in Begleitung eines autoritär wirkenden Arztes, der sich immerhin bereit erklärte, einige Auskünfte zu geben. Offenbar ging es dem Verletzten, den Umständen entsprechend, wieder ganz gut. Die Schlagverletzungen würden noch eine ganze Weile brauchen, bis sie abgeheilt seien, aber keine von ihnen sei wirklich bedrohlich gewesen. Der abgetrennte Teil der Ohrmuschel war schon eher ein Problem, aber die Wunde sei sauber ausgeblutet und stelle ebenfalls keine Gefahr dar. Der Blutverlust hätte allerdings einem schwächeren Menschen schon sehr zu schaffen gemacht.
»Aber der Mann hat eine Natur wie ein Bulle«, meinte der Arzt und hob dann entschuldigend beide Hände, ehe er mit leicht boshaftem Lächeln fortfuhr: »Oh, verzeihen Sie, Herr Kommissar. Das war natürlich nicht als Anspielung auf Ihren Beruf gemeint.«
»Hauptkommissar, Herr Doktor, Hauptkommissar. Und ich habe schon verstanden, was Sie meinen. Keine Sorge.«
Der Oberarzt schien nicht recht zu wissen, wie er Schwietes Replik einzuordnen hatte. Dann entschied er sich, sie zu ignorieren, und berichtete stattdessen, dass der Verletzte bereits heute Nachmittag das Krankenhaus auf eigenen Wunsch und eigene Gefahr verlassen werde.
»Könnte ich bitte mit dem Mann unter vier Augen sprechen?«, erkundigte sich Schwiete. »Es handelt sich immerhin um eine polizeiliche Vernehmung, und wenn er heute ohnehin wieder nach Hause geht, kann er doch wohl auch sein Krankenzimmer verlassen.«
Der Arzt betrachtete ihn von oben bis unten und meinte dann generös, als täte er Schwiete einen persönlichen Gefallen:
»Sie können einen kleinen Raum in der Stationsleitung nutzen. Ich werde Ihnen den Patienten gleich schicken. Lassen Sie sich von der Schwester schon mal in den Raum führen.«
Geschlagene fünfzehn Minuten später wollte Schwiete eben aufstehen und sich in aller Form beschweren, als endlich die Schwester in Begleitung eines jungen, auffallend
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