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Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Totensonntag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Tempo und rollte den letzten Meter langsam bis zum Anschlag. Die Stoßstange des Wagens war jetzt eins mit dem Türholz. Aus dem Herzloch hörte man einen lauten Protestschrei. Die Polizisten stiegen aus dem Wagen.
    »Ihr verdammten Arschlöcher! Fahrts den Wagen da weg!« Pirkels feucht-roter Mund mit der unrasierten Haut um die Lippen wurde im Herzloch sichtbar.
    »Gleich, Papa. Mir machen nur schnell a Kirchenbesichtigung.«
    »Einen Scheißdreck macht’s ihr! Ich zeig euch an.«
    »Putz dir den Arsch ab und lies Zeitung. Mir ham’s gleich.«
    Wallner zog Kreuthner zur Seite. »Er hat natürlich recht. Das ist Hausfriedensbruch und Freiheitsberaubung. Mal ganz streng genommen können die uns dafür einbuchten.«
    »Jetzt mach dir net ins Hemd. Des is mein Vater. Ich hab des im Griff.« Kreuthner warf dem schwarzen Hund, der böse kläffend an der Kette riss, eine offene Tüte Kartoffelchips zu, die er auf dem Rücksitz des Wagens gefunden hatte. Der Hund stellte das Gebell ein und fing an, sich über die verstreuten Chips herzumachen. »Gemma«, sagte Kreuthner und machte sich auf in Richtung Kapelle.

    Die Kapelle unter der Linde war 1870 von dem damaligen Hofbesitzer in einem Anflug von Großmannssucht in ungewöhnlich prächtigen Dimensionen errichtet worden. Zur Rechtfertigung hatte sicher der Gedanke herhalten müssen, dass man sich für viele Generationen die Friedhofskosten sparen würde. Doch es kam anders. Im Jahr 1921 wurde die Hofstelle verlegt, und der weniger fromme Enkel des Bauherrn ließ die Kapelle verkommen. Ab 1933 wurde sie als Heustadel genutzt.
    Mit diesem blasphemischen Treiben hatte es 1945 zwar ein Ende, da es jedoch mit dem Wohlstand der Bauersfamilie bergab ging, wurden nur noch die nötigsten Erhaltungsmaßnahmen getroffen. Als Lösung bot sich an, die Kapelle zusammen mit dem alten Hof zu vermieten und dem Mieter die Instandhaltung aufzubürden. In diesem Fall hatte es Max Pirkel getroffen, der freilich nur das Allernotwendigste tat, und auch das eigentlich nicht.
    Der beklagenswerte Zustand des Gebäudes erstreckte sich sogar auf das Schloss der Eingangstür. Der alte Schlüssel lag, von Kreuthner rasch entdeckt, unter einem Stein neben der Tür. Allerdings hatte Pirkel ein zusätzliches Vorhängeschloss angebracht. Kreuthner konnte sich nicht erklären, was seinen Vater zu dieser augenscheinlich sinnlosen Ausgabe veranlasst hatte.
    »Tja – das war’s wohl«, sagte Wallner.
    Kreuthner wuchtete den mehrere Kilo wiegenden Stein, unter dem der Schlüssel gelegen hatte, über seinen Kopf.
    »He, he! Moment mal!« Wallner hielt Kreuthner seine Handflächen entgegen. »Jetzt gehst du zu weit. Das ist schwerer Einbruch. So, wie dein Vater drauf ist, zeigt der uns noch an.«
    »Mein Vater is a Verbrecher. Was will denn der bei der Polizei? Geh mal auf die Seite.«
    Wallner trat einen Schritt zurück, und Kreuthner ließ den Stein auf das Vorhängeschloss niederfahren. Nach drei Hieben waren die Schrauben aus dem morschen Türholz gerissen, und das Schloss hing nur noch lose am Stock. Vom Hof her schrie eine heisere Stimme: »Ihr elendigen Dreckhammeln! Wenn ich hier rauskomm, könnt’s euer Testament machen!« Kreuthner ließ sich davon nicht irritieren und betrat die Kapelle.
    Im Inneren der Kirche erwartete die Polizisten ein grandioser, wenn auch unerwarteter Anblick: Glas. Vom Boden bis zur Decke Glasflaschen, Weißglas, durchsichtig, mit einer klaren Flüssigkeit darin. Hunderte von Flaschen in billigen Regalen. Kreuthner öffnete eine und roch daran. »Obstler. Wahrscheinlich von meinem Onkel Simon. Hab mich immer schon gefragt, wo er das Zeug bunkert.«
    »Schwarzbrand?«
    »Siehst du irgendwo a Steuerbanderole?«
    Wallner schritt durch den Kirchenraum und verschwand hinter dem Altar. Dort ging es eine steile Wendeltreppe hinunter in die Krypta. Er winkte Kreuthner.
    Ihre Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Alte Heureste zeugten von der ehemaligen Nutzung. Es roch nach Moder und Schimmel. Auf dem Boden war eine erhabene Marmorplatte im Stil der Neorenaissance angebracht, auf der die Namen des ersten Bauern und seiner Frau standen sowie sechs weitere Namen, vermutlich Familienangehörige. Der letzte Eintrag war ein junger Mann, gefallen 1916 bei Verdun.
    Kreuthner zündete sein Feuerzeug an und sah sich um. Dabei fiel ihm etwas auf. Was sie auf den ersten Blick für einen Schatten gehalten hatten, war ein Loch, das jemand in die Wand gebrochen hatte. Kreuthner musste

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