Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
Und auf dem Weg erzählst mir, was der Beck erzählt hat.«
Das Bauernhaus lag zwischen Gmund und Hausham. Es stammte aus dem siebzehnten Jahrhundert, war niedrig und geduckt, das flachwinklige Dach mit Wackersteinen beschwert. Das untere Stockwerk hatte man gemauert und verputzt, das obere in Holz ausgeführt. Um das Haus herum lagen von Baumaterial bis zum Bettenrost alle möglichen Dinge ungeordnet herum, soweit Wallner das im Scheinwerferlicht erkennen konnte. Im ehemaligen Stall brannte Licht.
»Kruzifix, machts die Scheißtür zu!«, begrüßte Kreuthners Onkel Simon, der Besitzer des Anwesens, die beiden Besucher. Der kleine, sehnige Mann war beim Ansetzen der Maische, die neben verfaultem Obst auch ein gerüttelt Maß an Zucker und Hefe enthielt. Simon achtete peinlich genau auf eine Raumtemperatur von achtzehneinhalb Grad während des Gärvorgangs.
Kreuthner und Wallner beeilten sich, die Stalltür zu schließen. In einem dunklen Winkel des Raumes schüttete ein älterer Mann Zucker in ein Plastikfass. In dem Fass befand sich Obstmaische, wie Kreuthner Wallner erklärte. Der Mann mit dem Zucker war Kreuthners Großvater Otto. Simon war dessen jüngerer Bruder und damit Kreuthners Großonkel.
»Was willst denn?«, blaffte Simon seinen Neffen an und steckte sich eine selbstgedrehte Zigarette in den Mund.
»Mit dem Opa reden.«
Simon deutete nur stumm auf den Mann mit dem Zucker. Dann blickte er abschätzig Wallner an. »Wer is’n er da?«
»Ich bin Clemens Wallner. Ein Kollege vom Leo. Ich hatte schon das Vergnügen, einige Ihrer Produkte aus einer Kirche zu schleppen.«
»Ach du Scheiße! Wieso bringst denn den her?«
»Reg dich net auf. Wir wollen nur was vom Opa wissen. Deine Schwarzbrennerei lassen mir ein andermal hochgehen.«
Simon schüttelte fassungslos den Kopf.
»Sauberne Verwandtschaft! Des is alles deine Schuld!«, schrie er seinem Bruder Otto zu. »Hättst besser auf deine Tochter achtgeben, wär des alles net passiert.«
»Was wär net passiert?« Otto kam aus seinem dunklen Eck hervor.
»Dass die sich a Kind machen lässt von dem Penner.«
»Da hab ich ja nix dafürkönnen.«
»Ach, da hast du nix dafürkönnen? Du hast es doch zulassen, dass sie mit vierzehn schon des Saufen angefangen hat. Was hätt denn da aus ihr werden sollen außer a Dorfschlamp’n.«
»Da redt der Richtige. Wie alt war der Leo, wie du ihm das Schwarzbrennen beigebracht hast?« Otto blickte zu Kreuthner. »Elf?«
Kreuthner zuckte in einer vage bejahenden Geste mit den Schultern.
»Des is ja was anderes. Da lernt er den verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol. Ich hab auch immer auf die Gefahren hingewiesen, wenn mir den Brand verkostet ham.«
»Oh ja, den Umgang mit’m Alkohol hat er gelernt, der Bua. Im ganzen Oberland findst net noch amal a so a versuffenes Waagscheitl wie eahm da.«
»So schlimm is es auch net«, wehrte sich Kreuthner.
»Ich stör nur ungern bei der Aufarbeitung eurer Familiengeschichte. Aber wir wollten uns eigentlich über was anderes unterhalten.«
»Gut. Reden mir.« Otto musterte seinen Enkel ein wenig misstrauisch. »Gemma raus.«
»Die Scheißtür bleibt zu, zefix!«, schrie Simon. »Ihr könnt’s euch hier unterhalten.«
Otto bat Kreuthner und Wallner an einen Tisch. Die zwei fleckigen Stühle bot er den Gästen an. Er selbst nahm auf einer leeren Plastiktonne Platz und zündete sich eine filterlose Zigarette an. Wallner wedelte den Qualm aus seinem Gesicht.
»Pass auf«, sagte Kreuthner. »Du kennst doch noch den alten Haltmayer. Net den Sebastian, der wo jetzt auf’m Hof sitzt – den davor. Den Ägidius Haltmayer.«
»Der Herr Großbauer. Logisch kenn ich den. Der hat uns immer behandelt wie Scheiße, wie er noch was zu sagen gehabt hat. Meine Mutter hat sich bei dem als Melkerin verdingen müssen und zum Heumachen.«
»Jedenfalls hat der kurz nach dem Krieg den alten Kreuzhof mit der Kapelle gepachtet, und in der Kapelle hat er wen vergraben.«
»Was heißt vergraben?«
»Der hat da im Keller a richtiges Grab reingebaut. Und da hat er eine Frau beerdigt. Die war vierundzwanzig Jahre alt und ist in den Kopf geschossen worden.«
»Echt? Wer war die Frau?«
»Geheißen hat sie Frieda Jonas. Aber angeblich weiß kein Mensch, wer des war.«
»Frieda …« Otto machte einen Rauchkringel und sah ihm nach, wie er zur Decke stieg.
»Die schöne Frieda?«, kam es aus Simons Richtung. »Da hat’s doch eine gegeben.«
»Wer hat dich denn g’fragt? Du bist
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