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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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oder?«
    Schon im ersten Moment, in dem er sie zusammen gesehen hatte, war ihm die über die Zeit entstandene Vertrautheit aufgefallen, die über eine reine Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung hinausging. Es war nicht gerade eine Freundschaft, sie glichen eher Veteranen eines obskuren Krieges.
    Auf ähnliche Weise würde er wahrscheinlich einem Regenwaldbewohner aus Venezuela namens Kerebawa gleichen, wenn dieser das letzte Jahr überlebt hätte.
    »Wenn Sie es ihnen nicht sagen, dann mache ich es«, setzte Granvier an. Mit so ernster Stimme hatte er den Mann bisher noch nicht reden hören. »Sie müssen es wissen.«
    Moreno zuckte mit den Achseln und wischte den letzten Siruprest mit einem Pfannkuchen vom Teller. »Ich war während der letzten Monate von Jean-Claude Duvaliers Herrschaft in Haiti. Bestimmte Regierungsabteilungen wollten ihre Interessen schützen, und einige dieser Interessen … schienen sich mit denen verschiedener haitianischer Gruppen zu decken, die Duvalier entgegenwirkten. Das ist alles.«
    »Außenministerium?«, sagte Justin und wusste schon in dem Moment, in dem er es aussprach, dass er sich irrte. Moreno hatte nicht in der Botschaft gearbeitet, er hatte nichts von einem kriecherischen Diplomaten an sich.
    Er bekam keine Antwort.
    Eine weitere vorsichtige Frage: »CIA?«
    Moreno sah ihm ruhig und geduldig über den Tisch hinweg in die Augen. »Es ist unwichtig, warum ich dort war, und Sie müssen das auch nicht wissen. Ich bin jetzt im Ruhestand und ein ganz normaler Privatmann, der einem guten Freund aus der Klemme hilft.«
    Justin nickte und lächelte entwaffnend. »Das klingt nicht gerade überzeugend«, meinte er und spürte, wie ihm April unter dem Tisch gegen das Schienbein trat.
    Moreno kaute einen Moment lang auf seiner Lippe. »Ich kann verstehen, warum Andrew Jackson Mullavey Sie unter die Erde bringen will.«
    Okay, es war genug. Seine Neugier war befriedigt. »Ich halte jetzt die Klappe.«
    »Nein, genau das sollen Sie nicht tun.« Er lehnte sich mit der Kaffeetasse in der Hand zurück, sah auf seine Uhr und warf rasch einen Blick an den zugezogenen Vorhängen vorbei durch das Fenster. »Ich kenne nur Bruchstücke Ihrer Geschichte, was Sie von Tampa hierhergeführt hat und warum Sie letzte Nacht vor Christophes Tür aufgetaucht sind. Ich möchte, dass Sie mir alles erzählen.«
    Also begannen April und er abwechselnd zu erzählen, was seit Juli passiert war, bis hin zu dem gestrigen Ereignis im NOPD-Hauptquartier. Was danach passiert war, wusste Moreno bereits.
    »Ich bin davon überzeugt, dass Mullavey hinter all dem steckt, auch wenn ich es nicht beweisen kann«, sagte Justin. »Aber es war weder mir noch April klar, warum er so weit gegangen ist.« Dann an Granvier gerichtet: »Magnolienblüte ist eine nationale Marke, Caribe nur eine regionale. Sie wären ihm kein großer Dorn im Auge gewesen, selbst wenn Sie auf den Markt gekommen wären.«
    Eine schwere Stille senkte sich über dem Tisch herab. Justin beobachtete Granviers Gesicht und bemerkte zum ersten Mal erschreckt die Gegensätzlichkeit der Kulturen, in denen sie beide aufgewachsen waren. Die fatalistische Resignation, mit der dieser Mann seinen Untergang zu akzeptieren schien, als sei alles nur Teil eines großen vorherbestimmten Plans. Über welche inneren Reserven Granvier verfügen musste! Justin dachte, dass er unter diesen Umständen mit nichts anderem als Hass, Bitterkeit und Selbstaufgabe reagiert hätte – all jenen Dingen, die er seit Langem zu unterdrücken versuchte.
    »Es stimmt«, erwiderte Granvier schließlich, »ich hatte nicht vor, meinen Kaffee auf diese Weise zu vermarkten, bis ich von seinen Plänen erfuhr. Ich weiß nicht, warum ich seinem Beispiel gefolgt bin, ich weiß es wirklich nicht. Möglicherweise habe ich es als eine Herausforderung gesehen. Aber das ist jetzt ohne Belang.« Seine Stimme klang melancholisch, wurde nun aber düster. »Was sie mir angetan haben ist nicht so, wie es Ihnen scheint. Es hat nichts mit dem Verkauf von Kaffee zu tun. Es ging ganz allein um Rache.«
    Granvier nahm seinen leeren Orangensaftbehälter und zeigte auf Morenos riesige Kaffeetasse. »Darf ich? Ein wenig?« Moreno stimmte zu, und Granvier goss sich einen Schluck ein, nippte und schnitt eine Grimasse. »Furchtbar. Ich frage mich, ob der überhaupt gefiltert wurde.«
    Moreno zuckte mit den Achseln. »Er belebt.«
    Granvier hielt den Rest hoch, schwenkte die Tasse und sah hinein, als würde darin ein Orakel

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