Totenstadt
hin- und hergeschaltet und vergeblich nach den Nachrichten gesucht, um zu erfahren, ob der Zwischenfall in ihrem Hotel in der letzten Nacht erwähnt wurde. Aber sie fand nichts als die am Samstagmorgen üblichen Cartoons. Sie war zum Fenster gegangen, starrte hinaus auf den Parkplatz und dachte, dass es seltsam sein würde, in einer Stunde keine Verabredung mit Dr. Gurvitz zu haben. Nicht schlimm, aber anders, ein Bruch der Routine.
Dann klopfte es an der Tür. April rief »Herein«, und Christophe Granvier kam in Begleitung eines anderen Mannes in Bomberjacke ins Zimmer, der seine Augen wachsam umherschweifen ließ, in jede Ecke, jeden Schatten, über jeden Bewohner, ob lebendig oder leblos.
Granvier stellte zuerst Justin und April vor, dann erklärte er, dass sein Begleiter den Namen Ruben Moreno trug. Granvier hatte ihnen in der letzten Nacht, nachdem das Telefongespräch mit diesem Mann beendet war, nur erzählt, dass er ein Sicherheitsspezialist aus Miami mit einer eigenen Firma sei.
»Sie sind der geflohene Kriegsgefangene?« Moreno sah Justin an und verzichtete völlig auf herkömmliche Höflichkeitsfloskeln. »Drehen Sie sich um.«
Justin tat es, und einige Augenblicke später wurden seine Handgelenke gnädigerweise befreit, was ihn außerordentlich erfreute. Er schwang seine Hände vor der Brust, massierte die Einschnitte an seinen Handgelenken, rollte die Arme und schwenkte sie hin und her. Er fühlte sich wahrlich gesegnet.
Die Handschellen baumelten an Morenos Finger. »Ein Andenken?« Er warf sie auf das Bett, holte dann die zusammengefaltete Zeitung unter seinem Arm hervor und drückte sie April in die Hand. »Die habe ich heute Morgen am Flughafen gekauft. Seite drei. Das dürfte Sie interessieren.«
Während sie die Seite aufschlug und den Artikel las, pellte sich Justin aus seiner zerknautschten Jacke und sah Moreno aus dem Augenwinkel an.
Er stellte eine interessante Mischung verschiedener Kulturen dar. Seine Haut war dunkelbraun; Moreno könnte mit Leichtigkeit als Schwarzer durchgehen, aber sein Haar war fein und wellig, zumindest das, was noch davon übrig war. Auf seinem Kopf war bereits ein kahler Fleck, während sein Schnurrbart noch dick und schwer unter seiner Nase prangte. Er sah aus, als sei er um die vierzig, also etwa in Granviers Alter, allerdings war er einige Zentimeter kleiner und kompakter als dieser.
Justin warf einen Blick über Aprils Schulter. »Was steht da?«
Sie überflog die letzten Zeilen des kurzen Artikels. »Eine Lüge. Du hattest recht.« Sie lachte und las mit leichter Skepsis in der Stimme vor: »Beide Verdächtigen wurden als schwarze Männer zwischen fünfundzwanzig und dreißig beschrieben und trugen rastafariartige Dreadlocks …?« Dann reichte sie Justin die Zeitung. »Ja, ich würde sagen, dass da jemand einen gefälschten Bericht abgegeben hat.«
Er las den Artikel und stellte fest, dass die Ereignisse der letzten Nacht erstaunlich präzise wiedergegeben wurden, wenn man von ihrer Verwandlung in Jamaikaner absah. Die beiden Detectives blieben ungenannt, aber einer musste ins Krankenhaus eingeliefert werden.
»Du hast ihm die Hüfte gebrochen!«, schrie Justin mit perverser Bewunderung. »Gut gemacht, Bonnie.«
Sie zuckte unter einem schiefen, widerwilligen Lächeln mit den Achseln.
Moreno hob eine Hand, schnippte zweimal mit den Fingern, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Machen wir hier weiter, o.k.? Wer hat sich hier letzte Nacht angemeldet, auf wessen Namen wurde das Hotelzimmer gemietet?«
»Ich habe uns angemeldet«, erwiderte Granvier. »Aber ich habe bar bezahlt und einen falschen Namen genannt.«
Moreno nickte kurz. »Das war so weit in Ordnung, aber wir müssen euch jetzt hier rausbringen. Dieser andere gekaufte Polizist oder irgendjemand anderes könnte bereits seine Runden drehen, eure Fotos herumzeigen, und in diesem Fall ist es völlig egal, unter welchem Namen ihr euch angemeldet habt. Ich werde die nächsten Zimmer mieten, und ihr drei werdet euch nicht blicken lassen. Ich werde ihnen sagen, dass ich das Zimmer für Hochzeitsgäste brauche, die nur zu Besuch sind, Motels stehen auf diesen Scheiß. Können wir los?«
Es war ein ziemlich abrupter Aufbruch. Zwei Minuten später fuhren sie schon in einem Sedan, den Moreno gemietet hatte, vom Parkplatz. Granviers Wagen ließen sie zurück; Justins und Aprils Mietwagen hatten sie bereits eine Meile von Granviers Haus entfernt abgestellt. Solange sie nicht den Fehler begingen,
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