Totenstadt
Lederjacke trug, die bis auf seinen Oberschenkel reichte. Aal ließ sich die Einzelheiten berichten, alles, was nicht am Telefon gesagt werden konnte.
Er hatte ein Bild des abtrünnigen Zeugen Napolean Trintignant herumgezeigt, was sich nun endlich auszahlte. Eine Prostituierte von der Canal hatte behauptet, den Kerl vor einer Woche oder auch zweien gesehen zu haben und dass er sich in dieser Zeit mit einer festen Größe der Quarterszene herumgetrieben habe. Er, sie, es …? Wie auch immer. Sie hatten der Nutte einige zusätzliche Dollar gegeben, und sie rief an, als der Kerl in voller Hurenmontur gleich nach Anbruch der Dämmerung auf der Canal aufgetaucht war. Sie hatten die Nutte weggeschickt, waren dann hinübergefahren und hatten die üblichen Verhandlungen durch das Wagenfenster geführt. Zwei Blowjobs, wie viel? Sie hatten leichtes Spiel, und niemand würde sich je an eine Nutte erinnern, die in einem fremden Wagen weggefahren war.
Sie hatten ihm Napoleans Bild gezeigt, aber nur Lügen zu hören bekommen. Es war wohl ein wenig Überzeugungsarbeit angesagt.
Aal nickte, ging hinüber zu der langen Werkbank, auf der der schwarze Transvestit flach auf dem Rücken liegend festgebunden war. Ihre Blicke begegneten sich zum ersten Mal, und das waren die kostbarsten Momente: dieses schreckliche Verstehen, wer der Herr war und wer das Fleisch.
»Du bist Magenta«, sagte Aal.
Der Transvestit nickte, geweitete Augen und zitternde rote Lippen unter einer schniefenden Nase. Mit einer brechenden, gepressten Stimme. »Ja.«
»Und ich bin Gott.« Aal nickte ihm zu. »Verstehen wir uns?«
Es würde nichts mit dieser Kleidung seiner gewählten Identität zu tun haben; Fleisch brauchte keine Identität, durch eine Identität bekam man Stärke und Gelassenheit.
Aal riss ihm die Perücke mit den wilden kupferfarbenen Locken vom Kopf und warf sie beiseite. Mit zwei schnellen Handbewegungen waren auch die falschen Wimpern abgerissen. Er bat um einen Lappen, und als einer der beiden Soldaten, die sich im Hintergrund hielten, ihm diesen reichte, spuckte Aal darauf und wischte die dicke Make-up-Schicht brutal aus Magentas Gesicht.
Aal nahm sein Messer mit dem Knochengriff aus der Scheide an seinem Rücken und winkelte die Klinge an, um den Vorderteil des billigen roten Cocktailkleides aufzuschneiden, dann trennte er auch den BH zwischen den Körbchen durch und holte seinen falschen Inhalt hervor. Er landete mit einem weichen Platschen auf dem Betonboden. Zu guter Letzt zog Aal das Kleid über Magentas Hüfte und schnitt das Seidenhöschen mit seinem Messer in Fetzen, bis die nackte Wahrheit zu Tage trat, auch wenn der Transvestit mit zitternden Beinen versuchte, seine Physiologie zu verbergen.
»Besser«, sagte Aal. »Jetzt bist du nicht mehr Magenta.«
Er steckte das Messer in die hölzerne Tischplatte, wo der Transvestit es gut sehen konnte, und schritt dann langsam und abschätzend um den Tisch herum. Er sah dünne Knochen und glatte schwarze Haut, kurz geschnittenes Haar und furchtsame Augen und natürlich die nun entblößte Männlichkeit. Tränen verschmierten das ohnehin schon demolierte Make-up.
So wie Aal die Sache einschätzte, würde das hier nicht lange dauern.
Als er von seiner Lehrzeit bei den Tonton Macoute zurückgekehrt war, heim zu Nathan Forrest, hatte Aal eigentlich nichts weiter getan, als ein Faschistenregime gegen ein anderes einzutauschen, in dieser Hinsicht gab er sich keinen Illusionen hin. Der Faschismus war eine großartige erzieherische Spielerei dank der vielen verschiedenen Verhörtechniken. Die Anwendung von physischer oder psychologischer Folter war ebenfalls eine Wissenschaft; geübte Hände konnten daraus eine Kunst machen. Im Allgemeinen brach der Geist schneller als der Körper; irgendwo im Limbus dazwischen hauste die Seele.
Magenta, Magenta … was hatte er denn hier? Eine sexuelle Folter wäre riskant, denn bei solchen Freaks wusste man nie, ob sie nicht vielleicht sogar darauf standen. Es gab keinerlei Anzeichen für eine geplante Geschlechtsumwandlung, aber das konnte man auch nicht mit Gewissheit sagen. Dieser könnte insgeheim von einer Entmannung träumen.
Und dann wusste er, wie er vorgehen würde, wenn es denn so weit kommen sollte.
Aal beugte sich weit genug vor, um die Furcht in Magentas beschleunigtem Atem zu riechen. Er sah, wie sich diese großen, feuchten Augen bittend in seine Richtung drehten, als er Napoleans Bild ein weiteres Mal hochhielt; eine letzte Chance,
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