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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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Fremde, waren sie nun Brüder, die das Dahinscheiden das alten Napolean Trintignant betrauerten, den man nie wiedersehen würde. In einer Woche würden sie das Erscheinen des neuen feiern.
    »Komm jetzt«, sagte Mama. »Es wird Zeit, dass wir zum Grab gehen.«
    Sie führte ihn durch den Vorhang, der vor einem schmalen Durchgang hing, und dann in den kleineren der beiden Räume, den Djèvo, die Zuflucht, in der die Initianten erneuert wurden. Im Glühen ihrer Lampe konnte er die einfachen Bretter seines spirituellen Grabes sehen, deren Maserung staubig war von der verblassenden Kreide, den Vèvès der Wächtergötter der Initianten, die vor ihm hier gewesen waren. Zusammen mit dem neuesten und deutlichsten … dem von Macandal.
    Napolean legte sich auf eine Schilfmatte, während Mama Charity Haare von seinem Kopf und unter seinen Achseln abschnitt, dann hob sie die Tunika an, um eine Locke zwischen seinen Beinen abzutrennen. Er lag vor ihr wie ein Kind, das die Schande noch nicht kannte, und dann nahm sie Stücke seiner Fingernägel der linken Hand und Zehennägel des linken Fußes.
    »Ich muss deine Seele beschützen«, flüsterte sie und wickelte derweil diese Teile seines Körpers in ein Bananenblatt, zusammen mit Blut und Federn, Süßigkeiten und gegrillten Maiskörnern, und legte sie ehrerbietig in ein weißes Porzellangefäß. »Ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas passiert, also mach dir keine Sorgen … auch wenn du in dieser Woche offen und verletzlich bist. Wie ein Kind, das noch nichts über die Welt weiß, und wozu es wird, hängt von dem ab, was es als Erstes sieht und was es als Erstes hört. Also vertraue Macandal, wenn er denn geneigt ist, sich zu zeigen. Ich werde mich um den Rest kümmern.«
    »Werde ich ihn herbeiträumen?«, fragte Napolean.
    Mama Charity schloss den Deckel seiner Seele mit einem Klappern des schweren Porzellans. »Vielleicht wirst du das. Vielleicht aber auch nicht. Es ist nicht an mir, das zu sagen, das kann nur Macandal. Du, mein Kind, du musst einfach bereit sein.«
    Sein Kopf hing über einer leeren Schale, und sie goss ihm eine warme Kräuterlösung über den Schädel. Er leckte sie aus den Mundwinkeln und atmete den frischen Medizingeruch ein. Sein Haar war noch immer feucht, als Mama Charity seinen Kopf in ein weißes Tuch wickelte, das ihm über die Augen reichte, fast wie eine Augenbinde.
    »Du hast Glück, Napolean.« Ihre Stimme kam aus Richtung des leichten Laternenschimmerns, den er durch den Stoff erkennen konnte. »Einige Menschen müssen lange darauf warten, bis sie wissen, welcher Loa ihr Wächter sein wird. Und manchmal werden die Loa eifersüchtig. Sie kommen herunter und kämpfen um sie, zwei Loa versuchen, dasselbe Pferd zu reiten. Meist sind sie dann so ausgelaugt, dass sie kaum noch atmen können.« Er spürte ihre Hände auf seinen Schultern, die ihn sanft zurück auf die Matte drückten. »Aber du weißt es schon. Macandal, er hat dir bereits sein Zeichen aufgedrückt. Und das kann dir niemand mehr nehmen. Das kann keiner mehr abwaschen.«
    Dann verließ sie ihn, damit er für sich und die Welt sterben konnte. Nie zuvor hatte die Zeit so wenig bedeutet. Sonne, Mond und Sterne wurden zu matten Fixsternen in der Welt eines anderen. Er schlief, wenn er schlafen musste, und wenn er erwachte, saß er auf der Schilfmatte, lauschte den Rhythmen der Vögel, des Wassers und der Winde und auf die Geister, die sie bewegten, er bewegte sich mit ihnen. Sie alle sprachen; man musste bloß zuhören. In der Stille, die durch die Abwesenheit der eigenen Stimme entstand, konnte man das Schlagen des großen und prächtigen Herzens spüren. Ein Herz, in dem sein eigenes nichts weiter war als eine winzig kleine Zelle. Es war alles.
    Dienstagabend kam Mama, um ihm sein Essen zu bringen; es war fast so, als sei Nahrung nun überflüssig. Konnte er im Djèvo allein vom Geist leben? Ein kleiner Teil des Vorhangs öffnete sich, und dort sah er ein Tablett, auf dem eine Schüssel mit Hühnchengumbo stand, daneben lag eine große Brotscheibe und ein Krug mit Wasser. Er erspähte nur Mamas Hand und reichte ihr den leeren Krug der vergangenen Nacht. Er hatte schnell gelernt, sich sein Wasser und sein Brot einzuteilen; es gab nur einmal am Tag etwas zu essen …
    »Auch den Nachttopf, Kind«, sagte sie.
    Er reichte ihr den mit einem Deckel versehenen Eimer und schnitt eine Grimasse. Er mochte zwar tot sein für die Welt, doch seine Blase und seine Gedärme arbeiteten weiter wie

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