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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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erinnerst du dich an ihn?
    »Ich erinnere mich nicht an diesen Jungen, ich schwöre, dass ich mich nicht an ihn erinnere, ich treffe nachts so viele Männer; Gesichter, wissen Sie, sind nicht der Körperteil, den ich am häufigsten sehe, oh, bitte, bitte, sie müssen mir glauben.« Magenta schluckte schwer und schnappte nach Luft.
    Aal legte dem Transvestiten das Foto auf den Nasenrücken. »Und an dieser Stelle hakt deine Argumentation. Du magst gewiss nicht viel für deine Dienste verlangen, da bin ich sicher, aber er hätte trotzdem nicht genug Geld für dich gehabt. Selbst wenn er auf Kerle in Kleidern stehen sollte. Und nach allem, was wir gehört haben … sollst du dich eher wie eine Mutter als wie eine Hure um ihn gekümmert haben.« Er zog die Kante des Fotos scharf über Magentas Nase, woraufhin sie wimmerte, als es sich in ihre Haut schnitt. »Was hast du mit ihm gemacht?«
    Magenta presste fest die Augen zu und spannte die Muskeln an, die gegen ihre Fesseln drückten; ihre Stimme war nur noch ein klagendes Jammern. »Ich arbeite nur auf der Straße, ich frage niemandem nach seinem Namen.« Weinend: »Oh, großer Jesus, hilf mir, hilf mir …«
    Gebete an den fernen Gott, es war immer zufriedenstellend, sie so weit gebracht zu haben, und dann noch so früh. Er hatte schon so viele Gebete wie dieses gehört, und keines war je beantwortet worden.
    Aal warf einen Blick nach hinten zu den Soldaten, dann streckte er die Hand aus. »Geben Sie mir die Flachrundzange.«
    Einer überreichte sie ihm, und er legte sie auf Magentas knochige Brust, damit er das kalte Gewicht des Metalls mit all seinen Möglichkeiten spüren konnte. Ihm brach erneut der Schweiß aus, und es kamen noch mehr Tränen; was brachte manche Menschen dazu, zum Wohle anderer zu bluten, die sich kaum kannten?
    »Halten Sie seinen Kopf fest«, sagte Aal, und der Mann in der Lederjacke stellte sich hinter Magenta, um einen wulstigen Arm um ihn herum und über den Hals zu legen, wodurch sein Kinn in der Armbeuge feststeckte.
    Dann nahm Aal das Messer in die Hand.
    Mit leidenschaftsloser Sorgfalt berührte die Klinge die Wange. Was wäre einer Hure – ob nun echte oder falsche Frau – mehr wert als ihr Gesicht? Sie gab sich solche Mühe, es zu bemalen. Die Schneide des Messers schimmerte silbern, und Aal kannte sich mit der Anatomie aus: Er schnitt in die Epidermis, bis hinunter in die unterste Hautschicht, zwei parallele Einschnitte in gerade mal zwei Zentimetern Entfernung, und gedämpfte Schreie entrannen der zugehaltenen Kehle, die kaum lauter als das Summen eines Insekts waren. Ein kurzer Stoß mit der Klinge, um die längeren beiden Schnitte an einem Ende zu verbinden, dann packte er den losen Hautlappen mit der Zange. Langsam zog er daran, bis er herunterbaumelte.
    Der andere Soldat kam näher und hielt einen kleinen Spiegel in der Hand. Damit Magenta zusehen konnte, erkennen, was er hätte verhindern können?
    Siehst du, was wir die ganze Nacht lang tun können?
    Du hast noch so viel mehr Haut.
    Und als sie einen Schritt zurücktraten und Magenta nach einem endlos scheinenden klagenden Jaulen schließlich wieder Luft schnappte, sah es ganz danach aus, als habe er doch noch einiges zu erzählen.
     
    Zu dieser Jahreszeit brach die Nacht früh herein, und an der Nordküste des Lake Portchartrain schien sie sehr tief und urzeitlich zu sein.
    Die fünf versammelten sich auf dem Kiesweg vor Mama Charitys Haus. Granvier stellte sie einander vor, und Justin bemerkte, wie vertraut er und die Frau, an die er so sehr glaubte, waren. Er empfand das als sehr angenehm.
    Mama Charity schloss die Haustür auf und führte sie hinein. Dann ging sie von Zimmer zu Zimmer und schaltete das Licht ein. Es roch nach Bequemlichkeit und Essen, nach endlosen Jahreszeiten und nach Wasser.
    »Setzen Sie sich an den Küchentisch«, sagte sie zu ihnen. »Ich bin in einer Minute bei Ihnen. Meine Blase ist auch nicht mehr das, was sie mal war.«
    »Sie ist anders, als ich erwartet hatte«, gab April leise zu, sobald sie verschwunden war.
    Granvier grinste. »Und was hatten Sie gedacht?«
    »Ich erwartete … jemanden … der geheimnisvoller ist. Weniger erdverbunden.« Sie lächelte in Richtung der Halle, des Badezimmers. »Aber so gefällt sie mir viel besser.«
    »Das geht allen so.«
    Mama Charity kehrte zurück, und ihr Benehmen hatte sich kaum merklich verändert. Sie war nun sehr konzentriert und aufmerksam, da war kein Platz mehr für Frivolitäten. Sie setzte sich

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