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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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zuvor. Sie hatten die Nachricht offenbar noch nicht erhalten.
    »Mama?«, sagte er und hörte, wie ihre sanften Schritte innehielten.
    »Ich bin hier.«
    »Ich weiß, dass die Loa da sind.« Er sprach mit dem Vorhang, diesem Schleier zwischen den Welten. »Und ich glaube, dass Macandal auf seinen Namen reagiert, weil ich weiß, dass es einen Macandal gegeben hat. Aber was ist mit den älteren Loa, Mama? Papa Legba. Damballah-Wèdo. Sie alle kamen aus Afrika. Das … sind doch nicht ihre wahren Namen … oder?«
    Er saß neben dem schweren Vorhang und schlang die Arme um ein Bein, das er bis an die Brust gezogen hatte. Was für eine Stille, so lange Zeit, es war fast, als sei sie gegangen und habe alle Geräusche mit sich genommen.
    »Ich glaube nicht, dass sie es sind«, erwiderte sie schließlich. »Ich habe immer geglaubt, dass die Loa auf viele Namen reagieren, in vielen Ländern. Und das sind nur die, die wir benutzen, und die Loa, nun, sie sind gütig genug, sich damit einverstanden zu erklären. Denn wenn ein Mann oder eine Frau denkt, den wahren Namen eines Gottes zu kennen, der schon seit Anbeginn der Zeit da ist, dann sind doch alle ein Teil eines großen Gottes … ich glaube, sie lassen sich nur gern schmeicheln.« Sie schwieg erneut, dann kicherte sie warmherzig. »Oder sie brauchen einfach gar keine Namen auf der anderen Seite. Und sie machen sich so über uns lustig. Das würde mich auch nicht überraschen.«
    Napolean dachte darüber nach und war sich nicht so sicher, ob ihm das gefallen würde. Was waren Namen anderes als Kennzeichen, und Kennzeichen waren die Art eines beschränkten Geistes, die Dinge einordnen zu können.
    »Gute Nacht, Mama«, sagte er und begann zu essen.

27
D IE P OLITIK DER E NTMENSCHLICHUNG
     
    Mittwochabend, abendliche Rush Hour, sie folgten einer Frau, die sie nicht einmal kannten, der sie ihr Leben anvertrauen wollten. Was für seltsame Wächter dieses Leben doch zuweilen benötigte.
    Mit Moreno hinter dem Steuer und einem navigierenden Granvier hatten die vier den heruntergekommenen kleinen Laden der Frau, die Granvier Mama Charity nannte, gefunden, dann folgten sie ihr, während sie aus der Stadt fuhr. Der feste städtische Boden wurde zu Sumpfland und verschwand dann völlig. Der Damm über den Lake Pontchartrain wurde zu einer fragilen Verbindung in ein einfacheres Leben.
    »Es ist, als würde man die Bucht nach St. Peter überqueren«, sagte er zu April.
    Sie nickte. »Nur länger.«
    Er griff dort hinten auf dem Rücksitz nach ihrer Hand, und lustlos wand sie ihre Finger um seine. Konnte er ihr den laschen Empfang verdenken? Nein. Er hatte sie in der letzten Nacht verletzt, und auch wenn eine Entschuldigung ein guter Anfang war, reichte sie noch lange nicht aus. Unter den entsprechenden Umständen würde es wahrscheinlich erneut passieren. Er musste unbedingt neu programmiert werden.
    Eine Seelensuche: Woher kam dieses starke Verlangen, jeden als potenziellen Gegner anzusehen oder zumindest als ein Hindernis, das es zu überwinden galt? Warum musste er gewinnen, wenn der Sieg doch nichts weiter war als eine Illusion? Das waren die Dinge, die eine kaputte Ehe ausmachten, und wenn er sich nicht vorsah, konnte er so lange den Sieger spielen, bis er sich als Junggeselle wiederfand.
    Er würde daran arbeiten, sobald sie wieder nach Hause kamen. Und wenn das bedeutete, dass er seinen aristokratischen Stolz hinunterschlucken und zugeben musste, dass er professionelle Hilfe benötigte, dann würde er Aprils Therapeutin anrufen und herausfinden, ob sie ihn besänftigen konnte.
    Er wollte jetzt nichts weiter, als von New Orleans wegzukommen, aus diesem Gefängnis, das die Umstände geschaffen hatten, fliehen, auch wenn er es durch sein eigenes Beharren darauf, Fehler korrigieren zu können, erst geschaffen hatte … und sich herausgestellt hatte, dass er im Inneren noch genauso verkorkst war wie schon immer. Er war nichts weiter als ein Spinner mit einer Mission.
    Er saß da und beobachtete April, die aus dem Fenster sah und auf diesen Binnensee starrte; wenn er doch nur auf der Stelle zusammenbrechen und es ihr sagen könnte: Es tut mir leid, ich habe nicht das Recht, eine Absolution zu verlangen, aber ich bitte dich dennoch darum; vergib mir; vergib mir, und bitte hilf mir, alles loszuwerden, was ich noch nie an mir gemocht habe …
    Und erzähl mir bitte, wie dir das gelungen ist, ohne mich dabei zu verletzen.
    Er kannte die Worte bereits, wenn er doch nur die Stimme dazu

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