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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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geschlossenen Augen und Jasminblütenblättern im Haar neigte April ihr Gesicht, um die nächste zarte Kaskade zu empfangen, und öffnete die Lippen, um einen Teil davon in sich aufzunehmen.
    Er hätte sie jetzt nur zu gern berührt, sich über die Kante des Zubers gebeugt und sie in seine Arme genommen. Und das nicht so sehr aus Erregung, sondern aus dem einfachen Verlangen, sich bei ihr für das zu entschuldigen, was sie hatte durchmachen müssen, für jeden Impuls, dem er sich hingegeben hatte, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. So wie in dieser Nacht.
    April trat tropfend aus der Wanne, und er hielt ihr ein Handtuch hin. Sie wischte den Großteil des Wassers ab und schlüpfte dann in eine Flanellrobe, die ganz allein für sie bestimmt war. Er spürte, wie die Hitze des Wassers von ihrer Haut ausstrahlte, er roch die Düfte, die unsichtbare Heilige herbeilocken sollten, oh, schützt uns vor allem Unheil. April lehnte ihre Stirn gegen seine Schulter, und er küsste ihr feuchtes Haar.
    Und dann war er an der Reihe und nahm ihren Platz in der Wanne ein. Unterwerfung und Submersion vermischten sich und wurden eins, er tauchte in das Wasser der Unendlichkeit. Wenn er diesen Moment als Angelpunkt nutzen und sich ändern konnte, dann wäre seine Schuld dieser Frau gegenüber noch weitaus größer.
    Als er fertig war, hielt April ein Handtuch für ihn bereit und wickelte ihn darin ein. Er schlüpfte in seine Jeans, dann sammelten sie ihre restliche Kleidung zusammen und verließen das Heiligtum. Die Kerzen machten dem Mond und den Sternen Platz, und die feuchte Kühle der Nacht fühlte sich gut und rein an. Moreno und Granvier standen draußen gegen die Wand gelehnt.
    »Der Nächste bitte«, sagte er.
    Moreno stieß Granvier an. »Gehen Sie. Ich gehe als Letzter.«
    Als Granvier an ihr vorbeiging, legte ihm April eine Hand auf den Arm. Er lächelte, tätschelte ihre Hand und verschwand dann im warmen orangefarbenen Glühen.
    April zog ihre Robe ein wenig enger um sich. »Ich würde mich gern im Haus umziehen. Meine Füße sind schon so schmutzig.«
    Er sagte, okay, aber Moreno hielt seinen Arm fest, bevor er sich entfernen konnte.
    »Haben Sie eine Minute Zeit?«, fragte Moreno.
    Er nickte und drückte Aprils Hand. »Ich komme gleich nach.«
    Nach einem kurzen Händedruck ihrerseits ging sie zum Haus hinüber. Ihre nackten Füße streiften durch das dicke Gras, als sie zwischen den Bäumen hindurchging. Ihr dunkles Haar war in den Schatten kaum zu sehen, die Robe glich einem blassen Schimmern, das sich stetig weiter fortbewegte, bis sie im Schein der Außenlampen plötzlich wieder ganz zu sehen war.
    »Es fällt einem immer leicht, jemandem, den man kennt, zu sagen, wie man sich fühlt.« Moreno räusperte sich und lehnte sich dann wieder an die Wand. »Ich, äh, habe vorhin in der Küche Ihren Gesichtsausdruck gesehen, als Sie an Leonard gedacht haben. Glauben Sie mir, ich weiß, wie Sie sich fühlen. Manchmal … sterben die falschen Leute. Manchmal ist es nicht Ihre Schuld, manchmal hat niemand Schuld daran. Solche Dinge passieren einfach.«
    Justin nickte. Wahrscheinlich bedeuteten solche Worte aus dem Mund eines Mannes wie Ruben Moreno mehr als von einem, der nie etwas riskiert hatte. Denn er würde es wissen, oder nicht?
    »Man nennt es die Schuld des Überlebenden«, fuhr Moreno fort. »Sie sagen einem, dass es normal ist, aber sie sagen einem nie, warum es ein so schlimmes Gefühl ist.«
    »Haben Sie es denn herausgefunden?«
    »Ja.« Moreno seufzte leicht. »Weil man nicht die Gelegenheit hatte, sich dafür zu entschuldigen.«
    »Denken Sie, dass das so einen großen Unterschied machen würde?«
    Moreno zuckte mit den Achseln. »Schaden würde es aber auch nicht, oder?«
    Justin schüttelte den Kopf.
    »Was immer Sie stattdessen tun müssen, tun Sie’s.« Moreno sah ihm direkt in die Augen. »Aber vergessen Sie eins nicht: Wenn Sie mir an diesem Wochenende die Wahrheit gesagt haben, dann haben Sie Leonard nicht damit hineingezogen. Er hat Sie angerufen. Denken sie immer daran.«
    »Das war die Wahrheit.«
    »Dann dürfte die Wahrheit Sie auch befreien.« Moreno zog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln hoch. »Sie haben einiges mitgemacht, was? Vorher meine ich, vor dieser Sache hier.«
    Er nickte.
    »Das habe ich mir gedacht.« Moreno sah ihn an, und in seinen Augen funkelte es auf einmal. »Es gibt eine Akte über Sie, die unter Verschluss gehalten wird, das habe ich in Langley herausgefunden.

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