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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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eingeredet. Vielleicht … vielleicht war das auch nur eine Ausrede. Unsere Familien waren sauer, weil wir sie nicht eingeladen hatten. Aber ich, äh … mir gefiel es so.«
    Aus welchem Grund gestand er das ein, und warum jetzt? Er hatte immer zu April gesagt, sie solle ihn erschießen, wenn er irgendwann einmal reden würde, nur um seine Stimme zu hören. Vielleicht war es das, sie würde jetzt aufstehen, mit dem Finger auf seinen Kopf zielen und sagen: Bumm, halt den Mund.
    »Warum kommen Sie nicht mit runter?«, schlug Mama Charity vor. »Sie können noch mehr als genug Zeit in diesem Zimmer verbringen.«
    Dann versammelten sie sich erneut am Küchentisch, und Mama Charity setzte Kaffee auf. Tassen für vier Personen, dicke Keramikbecher mit Griffen und Macken, an denen man sah, dass sie seit Jahren benutzt wurden, richtige Kaffeegallonen. Justin starrte in seine, in den schwarzen Strudel, und das war es doch auch, worum es ging, auf die eine oder andere Weise. Veteranen des Kaffeekrieges.
    »Haben Sie ein Radio?«, wollte er wissen.
    »Im Bad«, einen Augenblick lang sah Mama Charity fast schüchtern aus. »Ich singe gern unter der Dusche.«
    Sie ging los, um es zu holen, und stellte es dann auf den Küchentisch. Dann fragte er, ob sie die Frequenz eines Nachrichtensenders aus New Orleans kannte, den sie einschalten konnten. Die Neugier über Morenos Verbleib plagte sie alle, aber sie blieb unausgesprochen, als wäre sie eine tödliche Krankheit. Sie kannten die Antwort bereits, tief in einem Winkel ihres Herzens, da sie unausweichlich zu sein schien. Alles, was ihnen noch fehlte, waren die Einzelheiten.
    Die letztendlich mit den stündlichen Nachrichten geliefert wurden. Der Name Ruben Moreno wurde zwar nicht genannt – vielleicht kannte man ihn bis dato auch noch nicht –, aber die Geschehnisse trugen eindeutig seine Handschrift. Selbst in einer Stadt mit mehr als einer halben Million Einwohner konnte kein anderer diese Zerstörung bewirkt haben.
    Das Restaurant Charbonneau’s im French Quarter war zerstört, es hatte bei einem Schusswechsel Tote gegeben, und der noch nicht identifizierte Verdächtige war umgekommen, als er versucht hatte, auf dem Highway nach Westen mit hohem Tempo der Polizei zu entkommen. Er hatte ziemlich viel erreicht.
    Und nun die Sportnachrichten.
    »Ein Flüchtling.« Justin war der Erste, der die Stille brach. »Er hat für einen verdammt guten Abgang gesorgt, den man nicht so schnell vergessen wird.«
    Mama Charity berührte erst ihn und dann Granvier am Arm. »Vielleicht steht es mir nicht zu, das zu sagen, da ich ihn heute Abend erst kennengelernt habe, aber er kam mir nicht vor wie ein Mann, dem viel an dem liegt, was andere glauben. Mit Ausnahme derer, die es sowieso besser wussten.«
    »Er fuhr in die Richtung, in der Twin Oaks liegt«, warf Napolean ein. »Er ist nicht geflohen, Mama, er hatte ein Ziel.«
    Doch er hatte es nicht geschafft, und Justin fragte sich, welche Verwüstung Moreno bei Mullavey angerichtet hätte, wenn ihm die Gelegenheit dazu geblieben wäre. Das war eine wunderbare, wenngleich bittere Vorstellung. Zumindest war er kämpfend untergegangen; es war besser zu brennen, als dahinzuschwinden wie ein alter Soldat. Vielleicht wurde in irgendeiner Halle, über die die Kriegsgötter den Vorsitz hatten, bereits seine Ankunft gefeiert. Walhalla, ich komme.
    Mama Charity leerte die Kaffeekanne und goss jedem von ihnen in etwa gleich viel ein. »Soll ich noch mehr kochen?«
    Granvier nahm ihr die Kanne ab. »Ich übernehme das.«
    Schon bald goss er frischen Kaffee in ihre Tassen, und Justin überlegte, dass er bald wieder zu April hinaufgehen sollte. Die Treppe glich einer Straße in die Hölle – wo hatten ihn seine guten Absichten hingeführt? Er konnte jetzt noch nicht hochgehen.
    »Sagen Sie mir eins«, sagte Granvier an Napolean gerichtet. »Von all den Haitianern, die zu Mullavey kamen, sind Sie da der Erste, der gegangen ist?«
    Napolean dachte darüber nach und nickte dann. »Das könnte sein. Ich wüsste nicht, dass es sonst schon mal jemand versucht hätte.« Er zuckte mit den Achseln. »Wo sollten wir auch hingehen, was sollten wir tun?«
    »Aber wenn sie gehen könnten und nicht deswegen leiden müssten, nicht deportiert würden … meinen Sie, dass sie gehen würden?«
    Die Unterhaltung, die sie zuvor im Wagen geführt hatten, Morenos wachsende Obsession; Justin hatte sie völlig vergessen.
    »Einige vielleicht.« Napolean sah auf die Tischplatte

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