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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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die Bremsen; er ließ sich vom Lied der Sirenen begleiten.

29
A SCHE
     
    Moreno kam nie zurück in dieser längsten aller Nächte, und Justin grübelte, was schlimmer war: dass er nicht zurückkam, oder dass es keinen von ihnen wirklich überraschte. Sie hatten sich alle auf schrecklich neurotische Weise zu beschäftigen versucht … den Fußboden gewischt, alles aufgeräumt. Granvier und Napolean gingen nach draußen, um die Leichen der Killer zu beschweren und diese dann im See zu versenken, damit die Wellen dieses Geheimnis auf ewig bewahren konnten. Die auf den Boden gefallenen Waffen wurden aufgesammelt und ins Haus getragen, und in dieser Zeit hatte Mama Charity einen kurzen Besuch eines Parish-Deputys erhalten, der einem Bericht über Schüsse, die in der Gegend gefallen sein sollten, nachging – hatte sie irgendetwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört? Justin lauschte von der Küche aus und bewunderte, wie sie dem Druck standhielt; ja, sie habe die Schüsse auch gehört, in der Ferne … und laute Motorengeräusche. Sie vermutete, dass Jugendliche auf Straßenschilder geschossen hätten.
    Er hatte April nach oben getragen und in einem der Schlafzimmer aufs Bett gelegt, wo sie ihren Schlaf der Toten ausstehen konnte. Ihr Gesicht war bereits sauber, und so reinigte er ihre Oberschenkel und Pobacken, auf die sie in einem Moment des Verlusts, des Schreckens oder der Überraschung gefallen war, mit einem feuchten Lappen. Er wollte sich nichts davon vorstellen, denn er war nicht bei ihr gewesen, obwohl er der Grund dafür war, dass sie sich überhaupt hier aufhielt. Er konnte sie weder erreichen noch beruhigen und fürchtete, dass ihre letzten Gedanken ihm gegolten haben mochten. Und dass sie ihn damit verdammt hatte.
    Er stellte einen Stuhl mit einer hohen, geraden Rückenlehne neben das Bett, auf dem er ausharren wollte. Nichts anderes konnte er sich für die nächsten Tage vorstellen, nicht einmal, dass er um sein eigenes Überleben kämpfen müsse, und als Mama Charity und Granvier für einige Minuten zu ihm kamen, war er sich nicht sicher, ob er sie nie wiedersehen wollte oder ob es ihm lieber war, sie würden nie mehr gehen.
    »Justin.« Granviers Stimme klang sanft und dennoch sehr ernst. »Es ist Zeit, dass Sie erneut an Ihre Sicherheit denken. Der Djab Blanc weiß, wo wir sind. Ihr Handel mit Mullavey könnte nicht länger gelten.«
    Er schloss die Augen, seine Schwäche drückte ihn schwer wie ein Bleimantel nieder, und der Schlaf war so nah und dennoch so fern. Dann lehnte er sich zurück und stöhnte.
    »Ich bin so gottverdammt müde, und ich kann nicht mehr denken. Und es ist mir auch egal. Wenn Sie gehen wollen, dann wünsche ich Ihnen alles Glück der Welt.« Er sah Mama Charity an, ihre beruhigende Leibesfülle. »Und wenn Sie möchten, dass ich gehe, dann gehe ich. Ansonsten …« Er zuckte mit den Achseln.
    Sie nickte ihm einmal zu, ganz langsam. »Sie können gern bleiben, so lange Sie wollen. Das Letzte, was ich will, ist, Sie zu so einer Zeit vor die Tür zu jagen.«
    »Ich kann Sie bezahlen«, murmelte er, »das Essen …«
    »Ach was.«
    Und er wusste nicht einmal, warum er das gesagt hatte, allein der Gedanke daran, etwas zu essen, bewirkte schon, dass sich ihm der Magen umdrehte. Möglicherweise würde er nie wieder Hunger verspüren, und sein Körper könnte sich von sich selbst nähren. Er würde von innen heraus aufgefressen.
    Er nahm Aprils Hand und hob sie wenige Zentimeter vom Bett, auf dem sie lag, als würde sie auf den Kuss eines Prinzen warten, der das Gift besiegen konnte. Das war lächerlich, sie wäre dafür sehr viel besser geeignet gewesen als er. Aber es gab keine weiteren Erlöser, keine Retter; ihre Geschichte war kein Märchen der Gebrüder Grimm.
    Er berührte ihren Ehering. Er hatte den Wagen, den er geerbt hatte, versetzen müssen, um ihn kaufen zu können, das war sein einziger Besitz von Wert gewesen.
    »Wie spät ist es?«
    »Fast Mitternacht«, erwiderte Mama Charity.
    Er nickte. »Schon fast Dienstag. Fast der einundzwanzigste. Unser erster Hochzeitstag.« Er legte ihre Hand wieder an ihre Seite und deckte sie zu, damit sie es schön warm hatte. »Wir hatten keine richtige Hochzeit … standen nur vor dem Beamten. Mehr konnten wir uns nicht leisten. Wir haben nicht mal unsere Familien eingeladen.« Dann lächelte er. »Sie hat gesagt: ›Diesen Stress brauchen wir nicht.‹ Es schien uns so auch viel romantischer zu sein. Zumindest haben wir uns das

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