Totenstadt
Haare, seine Schläfe, dann hörte er, wie eine Waffe entsichert wurde. Sein Körper verspannte sich und wartete auf den Aufprall der Kugel, und als dieser nicht kam, drehte er seinen Kopf langsam nach rechts. Er sah in eine ansehnliche Mündung und erblickte dahinter eine Hand.
»Hey, Aal. Wie geht’s?« Der Cajun-Akzent klang fröhlich und zuversichtlich. »Hab gehört, du hast dir letzte Nacht ’ne Kugel eingefangen?«
Verräter an jeder Ecke. Er fragte sich, wer ihnen gesagt hatte, dass er hier auftauchen würde.
Aals Blick wanderte höher in das Gesicht von jenseits des Flusses, das mit deutlicher Zufriedenheit auf ihn herabsah. Wie lange hatte er schon auf diesen Moment gewartet?
»Können wir uns unterhalten? Eine kleine Spazierfahrt machen?«, wollte dieser Bote von Michael Daudet wissen. »Kann verstehen, wenn Sie keine Lust dazu haben.«
In diesem Fall würde die Smith & Wesson die Unterhaltung wahrscheinlich beenden. Aal seufzte.
»Sicher«, erwiderte er. »Warum nicht.«
Aal traf bedeutend später als erwartet in Twin Oaks ein, aber es kam ihm fast schon wie ein Wunder vor, dass er überhaupt dort ankam. Vielleicht war dies das Werk eines schützenden Loa. Andererseits konnte es aber auch sein, dass es doch so etwas wie simples Glück gab.
Er fuhr allein, da Lewis seit seinem Besuch in Doc Partridges Haus verschwunden war. Ein stummes Opfer, oder Daudet hatte sich über Nacht seiner Dienste versichert, was durchaus wahrscheinlich war, ein wortloses Angebot, das er nicht ablehnen konnte. Das Letzte, was Lewis jetzt wahrscheinlich wollte, war, mit Aal in einem Wagen zu sitzen.
Aals Ankunft am bevölkerten Tor sorgte für einen Aufruhr unter den unverbesserlichen Medienblutegeln, die die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hatten und sich nun um seinen Wagen versammelten. Er ignorierte sie, und die Wachen ließen ihn passieren, als sie ihn erkannten.
Er rollte durch den düsteren Tunnel aus Eichenzweigen, vielleicht zum allerletzten Mal … und noch nie zuvor hatte das herunterbaumelnde Lousianamoos verrotteter ausgesehen.
Beim Verlassen des Wagens sah er sich sehr vor, da sein linker Arm in einer Schlinge hing und nutzlos war. Immerhin hatte er sich vorher noch umziehen können. Das Betäubungsmittel ließ langsam nach, und die Stiche begannen zu pulsieren. Neben dem Maalox trug er auch eine Flasche Percodans in der Tasche, die er aber noch nicht geöffnet hatte. An diesem späten Nachmittag brauchte er einen klaren Kopf.
Twin Oaks, ein Mausoleum der Reichen und Philanthropen. Man ließ ihn ins Haus, und er unterhielt sich eine volle Minute lang mit dem Soldaten an der Tür, bevor sich Kathleen Forrest auf ihn stürzte.
»Ist Nathan bei Ihnen?« Sie stürmte die Halle hinunter, ihr dauergewelltes Haar war völlig aufgelöst, und sie hatte offensichtlich nicht geschlafen. »Das ist er nicht, oder? Sie Hurensohn, bekomme ich nun endlich eine Antwort?«
Seine Schulter schien bei jedem schrillen Ton ihrer Stimme zu hämmern. Es geht ihm gut, er ist in Sicherheit, versuchte Aal zu sagen, er wird sich melden, sobald er kann …
Und es war nicht gut genug, er war in ihren Augen nur ein Bote, und das sagte sie ihm auch; als ob er das in diesem Moment gebraucht hätte. Er gebot ihr Einhalt, indem er ihr einen Finger auf die Lippen legte und ihr so bedeutete zu schweigen, dann sah er erst in die eine und danach in die andere Richtung. Sie waren Verschwörer und dies war nicht für jedermanns Ohren bestimmt; er bedeutete ihr, dass sie durch die Halle und ins Esszimmer gehen sollten.
Aal griff in seine Jacke und holte seine Pistole hervor. Er fuhr mit der Spitze des Laufs die Konturen ihrer Lippen entlang und drückte sie nicht gerade sanft gegen die Wand.
»Schmecken Sie das?«, fragte er.
Kathleen Forrest blinzelte und murmelte verwirrt: »Ja.«
»Sie wurde erst vor Kurzem abgefeuert und noch nicht gereinigt, daher wird sie wohl recht streng schmecken. Oder?« Seine Stimme klang so vernünftig und stand in Kontrast zu seinen blauen Augen, die aussahen, als würde ihm nichts mehr Vergnügen bereiten, als den Abzug zu drücken. »Oder?«
Sie stimmte ihm erneut zu, und er ließ sie den Geruch noch einmal einatmen, sehr tief, damit sie das volle Aroma abbekam. Mit jedem Atemzug wurden ihre Augen ein wenig größer.
Er lächelte. »Nathan geht es gut, er ist in Sicherheit und ihm ist nichts passiert. Im Moment ist er sogar in einem besseren Zustand als Sie, und mehr kann ich Ihnen nicht sagen,
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