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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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so lautet seine Anweisung. Und wenn ich mich jetzt nicht mehr mit Ihnen beschäftigen muss, dann kann ich mich viel besser um die Interessen seiner Familie kümmern.« Er steckte die Pistole ein und tippte ihr mit einer kühlen Fingerspitze auf den Wangenknochen. »Verstehen wir uns?«
    Offenbar taten sie es, und er ließ sie wie erstarrt an der Wand des Esszimmers stehen. Dann ging er durch das Haus, während ihm sowohl die haitianischen Hausangestellten als auch seine Männer aus dem Weg gingen, als sei er ein zorniger Monarch. Aal fand Hogarth, der das Kommando übernommen hatte, weil er als Erster vor Ort gewesen war, und der nie ohne Schrotflinte aus dem Haus ging. Eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse ergab, dass der Tag im Großen und Ganzen so verlaufen war, wie Aal vermutet hatte, und sie die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Medien und Gesetzeshüter hatten. Die Polizei war hier gewesen und hatte nach Nathan gesucht, dessen Aufenthaltsort sie nur zu gern wüsste; Aal war klar, dass dies dank seines Einflusses bestenfalls verlangsamt werden konnte.
    Im Vergleich zur Stimmung in diesem Haus erschienen ihm das Messer und die Zange bei Doc Partridge immer verlockender.
    Was für eine Freiheit er jetzt doch verspürte, er konnte all dem den Rücken zukehren und tat dies jetzt nur, um den Schein zu wahren. Schließlich wollte er gar nicht erst einen Verdacht aufkommen lassen.
    Er fand heraus, wer sich wo aufhielt, und begann, allen einen letzten Besuch abzustatten.
    Das große Schlafzimmer, zweiter Stock. Er klopfte leise an die verschlossene Tür und sagte Evelyn Mullavey, wer vor der Tür stand.
    Sie antwortete nicht gleich und öffnete auch nicht sofort die Tür, die er hinter sich wieder verschloss. Dann stand er im Eingang eines Zimmers, das vom Licht der sinkenden Sonne beschienen wurde und in dem er so viel Zeit damit verbracht hatte, mit der Dame des Hauses Tagträumen nachzuhängen. Es waren zu viele dieser Begegnungen gewesen, oder zu wenige, er war sich da nicht so sicher.
    »Du bist verletzt«, sagte sie und klang nicht überrascht.
    »Und du packst«, erwiderte er und war es dafür umso mehr.
    Auf dem Bett und auf dem Fußboden lagen aufgeklappte Koffer, die sie füllte, die Schränke und Kommoden standen offen und wurden ausgeräumt. Sie besaß eine Menge unnützer Dinge und hatte vor, sie alle mitzunehmen.
    Ihre Umarmungen an der Tür waren schon immer ein wenig ungeschickt gewesen, als er noch beide Arme benutzen konnte, daher ließ er sie jetzt gleich ganz sein. Außerdem wirkte Evelyn wie ein Minenfeld, das jeden Moment hochgehen konnte; die Bügelfalten ihrer Hose waren wie gemeißelt, sie hatte das Haar straff zurückgebunden und die Arme entschlossen vor der Brust verschränkt. Alles an ihr schrie, Fass mich nicht an!, und er gehorchte.
    »Weiß es Andrew schon?«, fragte er.
    Ihr schiefes Grinsen war wie eine spitze Lanze. »Er wird es früher oder später merken.«
    Aal grinste – aufrichtig, nicht der Totenkopf, der er für Kathleen gewesen war – und brach dann in amüsiertes Lachen aus. Endlich wusste er, dass es auch irgendwo in ihrem Inneren eine Grenze gab. Gut. Gut. Er hatte es schon immer als frustrierend empfunden, wenn man ihm etwas vorenthalten hatte.
    »Wo willst du hin?«
    Evelyn räusperte sich, als hätte sie einen emotionalen Kloß in der Kehle. »Atlanta. Du weißt, wie sehr ich Atlanta liebe.«
    »Es ist … nicht nur bis dieses Spektakel vorbei ist, oder?«
    Nun war ihre Angespanntheit auch auf ihrer Stirn zu erkennen. »Nein, Terrance, das ist es nicht.«
    »Ich kann dir in Kürze eine Alternative in weitaus größerer Entfernung bieten.« Allein es auszusprechen war schon unglaublich aufregend. »Wenn du Interesse hast.«
    »Wie weit entfernt?«
    »Afrika, glaube ich.«
    Evelyns Blick wurde sanfter, vielleicht lag es auch nur an ihrer Verwirrung, und sie sah zu Boden. Als sie ihn wieder ansah, kannte er die Antwort bereits, wahrscheinlich hatte er sie auch schon vorher gewusst.
    »Dass ich Tania Blixen liebe und lese«, begann sie, »bedeutet noch lange nicht, dass ich so leben will wie sie.«
    Obwohl Evelyn dies nicht unfreundlich gesagt hatte, bot sie ihm auch keine Chance, ihre Worte zu entkräften, und so versuchte er es gar nicht erst. Allerdings hatte er sein Angebot nicht aus reiner Nostalgie gemacht, und so ging er zu ihrem Bett hinüber und setzte sich darauf, um durch das Fenster auf die Bäume zu blicken, deren Äste er schon so oft zuvor angestarrt

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