Totenstadt
… das war wie die erste Gewitterwolke eines herannahenden Sturms.
Er wusste, was er wollte. Wonach er sich verzweifelt sehnte. Er wollte erfahren, wer das Zyanid in die Kaffeepads getan hatte, und hören, dass er hinter Gittern saß. Schnelles Handeln, und schon nahm die Gerechtigkeit ihren Lauf. Wenn die Opfer schon Gesichter und Namen hatten, dann sollte das auch für die gelten, die dafür verantwortlich waren, dass sie jetzt im Leichenschauhaus lagen. Vielleicht war es ein einzelner Täter. So arbeiteten diese Giftmörder doch, nicht wahr? Allein. Er oder sie … Justin wollte hören, dass man diesen kranken Irren gefasst hatte, er wollte es mehr als alles andere auf der Welt.
Und vier Tage später, am Montag, bekam er, was er wollte.
12
D ER A NGEKLAGTE
Er hatte es schon öfter gehört; Gottes Wille, aber er wollte es nie wieder hören. Doch das Echo hallte ihm schon den ganzen Tag in den Ohren wider – der Klang einer Welt, die aus den Fugen brach.
Christophe Granvier kam am späten Montagabend zusammen mit seinem Anwalt im Hauptquartier der Polizei von New Orleans in der Broad Street an. Christophe hatte eigentlich schon früher kommen wollen, doch sein Anwalt Virgil Bean hatte ihn gewarnt, sich den Nachmittag über von dort fernzuhalten. Würde er dort auftauchen, solange die Meldung noch frisch war, dann würden die Medien wie Furien über ihn herfallen. Christophe war es bisher recht gut gelungen, sich der Aufmerksamkeit der Medien zu entziehen, seit der Zyanidskandal am Donnerstag veröffentlicht worden war. Aber die Polizeiwache am Montagnachmittag? Vergiss es, sagte Bean zu ihm. Jeder Depp, der eine Kamera, einen Notizblock oder ein Mikrofon halten konnte, würde dort sein, und er würde sein erstes Statement dort abgeben, wo jeder Einzelne gierig auf Einzelheiten über den Caribe-Killer wartete.
Sie hatten den Verdächtigen am späten Vormittag gefasst, und seine Zukunft sah finster aus, er war so gut wie verdammt. Er hatte ein Geständnis abgelegt, freiwillig, aber viel mehr hatte er nicht gesagt.
Es gab insgesamt fünf Todesopfer. Die ersten beiden am Donnerstag in Georgia, drei weitere am Freitag: eins in Pensacola, Florida, und zwei in Mississippi. Am Freitag war Caribe im Südosten aus allen Supermarktregalen verschwunden. Das FBI und die FDA suchten nach auffälligen Mustern, auch wenn die Orte, an denen die vergifteten Kaffeetrinker lebten, an denen sich die Geschäfte befanden, in denen die verunreinigten Pakete gefunden worden waren, kein offenkundiges Muster vorwiesen. Am langen Wochenende, an dem die FDA die zurückgerufenen Produkte untersucht hatte, waren bisher zwei weitere vergiftete Schachteln aufgetaucht, von denen keine so aussah, als wäre sie von Kundenseite manipuliert worden. Die Schachteln waren heil, und sogar die einzeln verpackten Kaffeepads schienen unangetastet zu sein. Und dennoch hatte man feste Kügelchen aus gemahlenem Zyanid in den Beuteln gefunden. Was ein deutlicher Hinweis darauf war, dass der Giftmischer entweder das Talent eines Houdini besaß …
Oder die Verunreinigung bereits in der Fabrik von Carrefour Imports, in der Caribe produziert wurde, geschehen war.
Von besonderem Interesse war dabei die Voraussicht, die dieser Jemand bewiesen hatte, damit seine zufällig ausgewählten Opfer nicht merkten, dass an ihrer morgendlichen Tasse Kaffee etwas faul war. Zyanid war nicht geruchlos; es besaß einen charakteristischen Geruch nach gebrannten Mandeln. Und ohne jede Ausnahme war jedes verunreinigte Paket von der Sorte mit Mandelaroma.
Das waren herzzerreißende Neuigkeiten, die ihm in der Seele wehtaten. Warum hatte ihm Dorcilus Fonterelle das angetan?
In der letzten Nacht hatten Inspektoren der FDA das gesamte Gelände von Carrefour auf den Kopf gestellt. Sie steckten ihre Nase in jeden einzelnen Produktionsschritt, angefangen bei den Sortierstationen für die Kaffeebohnen über die Röstanlagen, die Mahlwerke bis hin zu den Füllstationen, an denen der behandelte Kaffee in die einzelnen Pads abgefüllt und jedes Pad in Folie versiegelt wurde.
Ferner hatte die FDA – die sich noch zu gut an die chilenischen Trauben erinnerte – seine sämtlichen Importe eingefroren. Tonnen von Früchten aus der Karibik und Südamerika standen palettenweise in seinen Lagerhäusern. Sie reiften. Und verdarben. Christophe konnte ihren Anblick nicht ertragen. Es war, als würde er dabei zusehen, wie sein Geld in Rauch aufging.
Aber er konnte mit dem Unglück
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