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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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alles so weit wie möglich wegblieb und sein Leben in Ruhe ließ.
    Justin lehnte sich an und ließ den Kopf hängen. Setz dich gerade hin, hätte seine Mutter gesagt, wenn sie ihn so gesehen hätte. »Warum fühlt sich ein Teil von mir verantwortlich dafür?«
    Nun lagen ihre beiden Hände auf seinem Bein und drückten es. Die Fingernägel pressten sich in seinen Oberschenkel, als wollten sie ihn vom Aufstehen abhalten, ihn festhalten. Ihm Vernunft beibringen.
    April sah ihm fest und eindringlich in die Augen, als müsse sie sterben, wenn sie auch nur blinzeln würde. »Jus, du warst nie der Typ, der sich schuldig fühlt wegen etwas, wozu er nichts kann. Nur für die Dinge, die du auch getan hattest. Anders als ich. Bitte mach nicht denselben Fehler, den ich gemacht habe. Du wirst nur innerlich zerreißen … jedes Mal ein bisschen mehr.«
    Sie hatte natürlich recht. Er schloss die Augen, ihre Hände entspannten sich und streichelten sanft sein Bein. Das war schön.
    »Manchmal habe ich das Gefühl, als ob die Dinge geschehen, weil ich es so will.« Er öffnete die Augen und sah sie an. Aprils Herz und Seele waren nicht einmal einen halben Meter entfernt, und er wollte sie in sich aufnehmen. »Als ich an diesem Morgen zum Magnolienblüten-Meeting ging, da wollte ein Teil von mir, dass Todd es vermasselt, weil er so ein Arschloch ist … und genauso kam es.«
    »Da hat das Peter-Prinzip zugeschlagen«, sagte sie. »Er hat sich von seiner ganzen Inkompetenz gezeigt.«
    Justin grinste. »Und ich habe den Auftrag bekommen. Ihn ihm direkt unter der Nase weggeschnappt. Und ich habe geschuftet und geschuftet … um die beste Kampagne zu erschaffen. Ich bin in diesen Wochen beinahe durchgedreht. Weißt du auch, warum?«
    »Warum?«
    »Weil mir die ganze Zeit dieses Caribe-Zeug ins Gesicht starrte. Das war meine Motivation. Ich hatte einen Feind, verstehst du? All die Überstunden, die ganze Zeit wollte ich nichts weiter als Caribe vernichten. Ich hasste Caribe. Und das lag nicht daran, dass ich Andrew Jackson Mullavey so sehr liebte, das tat ich auch damals schon nicht. Es lag nur daran, dass … Caribe ein Hindernis war.«
    April lehnte sich neben ihm an. Sie berührte mit einer kühlen Fingerspitze seine Wange und die frischen Bartstoppeln. Spürte den Schweiß. »Und jetzt hältst du dich also für einen Hexenmeister. Du kannst zaubern. Du bist ein Hexenmeister des Konsumdenkens.« Während sie sprach, umspielte ein ironisches Lächeln ihre Lippen.
    Er lächelte zurück und küsste sie. »Nein. Ich weiß es besser. Mach dir keine Sorgen, ich glaube wirklich nicht daran.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist der Grund, warum mir dieser Job keinen Spaß mehr macht. Es geht für mich nicht mehr um die Kreativität. Ich brauche immer jemanden, an dem ich mich orientieren kann. Um zu gewinnen.« Er sah zum Fernseher, dessen Zyklopenauge grau und tot dalag. »Caribe war brandneu. Es hatte sich noch nicht auf dem Markt etabliert, es gab noch keine Kundenschicht. Diese Sache wird es zerstören. Ich gewinne …«
    »Ich habe, was ich wollte.«
    Sie hielt ihn fest und er sie. Sie schützten einander. Da draußen war eine kranke Welt, zumindest zuweilen. Es war, als würde ein Krieg geführt, und zwar sowohl um Seelen als auch um Dollar. Das Schlachtfeld des Konsums, und die Verrückten gewannen jedes Mal. Das Zyanid war wie eine essbare Landmine versteckt worden. Bumm, du bist tot. Das war der Preis der Demokratie und der freien Marktwirtschaft, und als akademisches Konzept konnte er damit umgehen. Aber als es in den Nachrichten auf CNN kam, da hatten die Opfer Gesichter, Namen, weinende Familien, die schockiert waren und trauerten. Wegen dieser Verrückten. Und er wusste so gut wie jeder andere, dass man diese Verrückten an jedem Ende der Produktlinie finden konnte. Das wurde immer offensichtlicher.
    »Soll ich weiterkochen?«, sagte April nach einer Weile.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich mache weiter.«
    Eine Minute später stand Justin wieder am Herd und erhitzte das Öl im Wok, während er hinunter auf die Arbeitsplatte starrte. Sie war beladen mit geschnittenem Fleisch, gehacktem Gemüse. Was wusste er schon darüber, wo das alles wirklich herkam? Absolut gar nichts. Und schon bald würde sich das alles in seinem Körper befinden und in Aprils. Unter welch seltsamen Bedingungen sie doch lebten. Was für ein blindes Vertrauen sie hatten.
    Justin warf einen Teil der Zutaten in den Wok. Das Zischen, der aufsteigende Dampf

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