Totenstadt
Büro. Er ließ sich vom weichen künstlichen Licht seines Computermonitors bescheinen, das einen harten Schimmer auf die reflektierenden Oberflächen in der Nähe warf. Seine Finger tanzten auf der Tastatur auf der Suche nach seiner Rettung, und das Erste, was er tat, war, seine eigene Zugangssperre zu aktivieren, sodass alles, was er tat, sein eigenes Computerterminal nicht verlassen würde. Keiner der anderen Anwender, die an den Großrechner angeschlossen waren – auch nicht diejenigen, die ein Stockwerk über ihm saßen –, konnte über die Elektronik einen Blick auf das werfen, was er gerade tat.
Er rief die gestohlenen Daten von Carrefour Imports auf und begann, die elektronischen Dateien durchzusehen, dann entschied er sich, das Vorhaben aufzugeben und einfach alle mitzunehmen. Er legte eine leere CD nach der anderen in das Laufwerk und kopierte alles. Während er darauf wartete, dass sich die Datenträger füllten, war nur das leise arhythmische Summen zu hören, das das Brennen der Daten begleitete.
Informationen stellten eine sehr seltsame Ware dar: Sie waren durch und durch amoralisch, und es war ihnen gleichgültig, wer sie besaß oder verwendete und zu welchem Zweck dies geschah. Sie waren einfach da. Sie glichen einer Macht, die nur darauf wartete, dass jemand kam und sie ergriff.
Als er alles hatte, fuhr er den Rechner runter, schaltete den Monitor aus, und ihm wurde klar, dass er diesen Knopf wohl nie wieder unter seinem Finger spüren würde. Alles in diesem Büro, der Schreibtisch, der Stuhl, der schon die Konturen seines Körpers angenommen hatte … er würde all dies über Bord werfen. Dies war nichts weiter als eine Kabine eines sinkenden Schiffes; er fühlte sich bei diesem Gedanken gleich viel besser, denn er würde andere zurücklassen, die ertrinken mussten.
Larkin ließ eine Handvoll CDs in die Tasche seines langen Mantels gleiten, dann ging er zur Tür. Er lauschte mit angehaltenem Atem, und allein sein laut pochendes Herz konnte ihn noch verraten.
Es war mitten in der Woche und spät in der Nacht; die Büros waren zwar nicht völlig leer, doch es hielten sich nicht viele Angestellte im Haus auf. Es waren einige leistungsorientierte Mitarbeiter da, die mit langen Arbeitszeiten auftrumpfen wollten, sowie Handelsvertreter, die schon den nächsten Tag planten. Doch die Gänge waren verlassen und die Empfangsbereiche leer, die Empfangsdamen und Sekretärinnen waren schon lange gegangen, und Larkin beneidete sie kurzzeitig um ihr simples Leben. Sie mussten sich um nichts weiter sorgen, als darum, wie sie die Miete zusammenbekamen oder den Zahnarzt für ihre Kinder bezahlen konnten, was ihm im Moment sehr verlockend erschien.
So langsam, wie man einen Sargdeckel herabließ, schloss Larkin die Tür seines Büros auf und öffnete sie. Er spähte durch den größer werdenden Spalt – war da jemand? –, aber er erblickte niemanden.
Larkin entschloss sich, auf den Fahrstuhl zu verzichten und die Treppe zu benutzen. Es waren zwar fünfzehn Stockwerke, doch es ging nur abwärts; er hatte schon immer mehr trainieren wollen. Er machte sich natürlich etwas vor, ihm war diese blinde Rationalisierung durchaus bewusst. Aber es steckte eine Logik dahinter: Nur weil man paranoid war, hieß das noch lange nicht, dass niemand hinter einem her ist, haha.
Und was hatte dieses sonderbare schwache und enttäuschte Glänzen in Mullaveys Augen zu bedeuten, von dem sich Larkin einzubilden versuchte, dass es nicht wirklich da gewesen war?
Ledersohlen auf der Treppe, die Hacken und ihr rasches Klackern auf den Betonstufen, das kalte, raue Eisengeländer glitt durch seine Handfläche. Mit jedem Stockwerk, das er die Treppe hinunterstieg, stellte er fest, dass seine Knie schwächer und zittriger wurden.
Dummer, dummer Mann. Er war allein. Ganz allein.
Mullavey würde ihn einfach im Auge behalten wollen, das war alles. Es war Leonard Greenwald, der wirklich ein Problem hatte, nicht wahr? Leonard war derjenige, der herumlief und geheime Dinge wusste, von denen er nie hätte erfahren sollen. Es war Larkins eigene Schuld, aber nun war es zu spät. Und wenn er diese Demontage seines Egoismus wirklich vorhatte, dann war dies der richtige Weg.
Als er am Treppenausgang ankam, der zum Parkhaus führte, war er völlig erschöpft. Die graue Decke schien ihm sehr tief zu hängen, und er war froh, dass er nicht zu Klaustrophobie neigte; es kam ihm vor, als würde er durch eine flache Höhle gehen. Der leichte
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