Totenstadt
gegenüberliegenden Seite zeigten die mitternächtliche Welt und den Mond darüber. April saß wahrscheinlich zu Hause mit der Katze auf dem Schoß auf dem Sofa, während sie las oder den Fernseher anstarrte, um sich abzulenken, und sich trotzdem Sorgen um ihn machte. Wegen dieser dummen Angelegenheiten, die ihn zwei der letzten vier Nächte in die Dunkelheit hinausgelockt hatten. Waren sie harmlos und eher therapeutischer Natur? Oder Vorboten des nahenden Unheils?
Justin stand einfach nur da. Er schlich leise in den Gang, der zurückführte, und stellte fest, dass er leer war. Er folgte ihm mit der Entschlossenheit eines Panthers, der seiner Beute nachstellte, und als er an der Kreativabteilung vorbeikam, sah er, dass Todds Abteil leer war, es sei denn, er hätte sich flach auf den Boden gelegt, damit man ihn nicht mehr sehen konnte.
Das galt jedoch nicht für Justins Arbeitsplatz. Dort saß Todd und war erneut damit beschäftigt, irgendwelche ominösen Dinge zu suchen. Im Licht der Schreibtischlampe war der Schweiß auf seiner Stirn deutlich zu erkennen. Er ging gerade die Klebeetiketten auf Justins Disketten durch, die er in einer Schublade aufbewahrte.
»Todd«, sagte Justin, als er im Türrahmen stand. Dieses Mal sprang Todd auf, und in diesem Moment stand etwas ganz deutlich in seinen Augen, das beim ersten Mal noch nicht da gewesen war. Eine Lüge würde nun nicht mehr ausreichen. »Was suchst du denn?«
Todd benetzte sich nervös die Lippen mit der Zunge, und seine Augen schnellten hin und her, als er sich innerlich wappnete. Wenn alles andere versagte, würde nur noch ein guter Bluff gepaart mit Entrüstung und Geschrei weiterhelfen.
»Das geht dich verdammt noch mal nichts an, Justin. Du schleichst hier nachts herum, was? Versuchst wohl alles, um anderen etwas anzuhängen?« Er klang angewidert und verärgert. »Lass mich mit deinen traurigen kleinen Spielchen in Frieden, ja?«
»Die Telefonnummer.« Justin machte einen Schritt ins Büro. »Welche auch immer du gesucht hast, warum konntest du nicht heute oder morgen dort im Büro anrufen?«
Todd sagte nichts. Ein Moment der Verwirrung, dann schien er sich entschieden zu haben, einfach nicht zu antworten.
Ein weiterer Schritt. »Niemand fährt in den Urlaub, ohne seiner eigenen Firma zu sagen, wie man ihn erreichen kann. Das ist noch lange kein Grund, Leonards Büro zu durchwühlen.« Justin starrte Todd nun an und sah, dass dieser immer stärker schwitzte und versuchte, dies zu verbergen; er hasste ihn dafür, er war zu einem hinterhältigen Verräter geworden. »Also rück schon mit der Sprache raus: Was, zum Teufel, suchst du?«
Justin machte noch einen Schritt nach vorn, und inzwischen stand Todd ebenfalls auf den Beinen, er sah aus, als hätte er genauso große Angst, wie Justin sie verspürte. Sie zitterten beide; hier ging es nur darum, wer es besser verbergen konnte, und es sah ganz so aus, als würde Todd den Wettkampf verlieren.
Sie begannen, sich anzuschreien, Justin wollte wissen, was er suchte, Todd bestand darauf, in Ruhe gelassen zu werden. Ihre Venen begannen zu pochen und ihre Hände zu kribbeln. Seine Sinne spielten fast verrückt, und er hatte das Gefühl, dass jemand hinter ihm stehen würde, der ihn wegen seines Wissens zum Schweigen bringen wollte. Unschuldig war er noch nie gewesen, aber nun war er auch nicht mehr ignorant. Das unvollständige Wissen konnte eine furchtbare Last sein.
Justin konnte es nicht länger ertragen, und Todd weigerte sich mit zunehmender Vehemenz, mit ihm zu kooperieren. Er spannte die Finger seiner rechten Hand, bevor ihm das überhaupt bewusst wurde, und als er es erkannte, konnte er seine Faust auch schon nicht mehr zurückhalten. Er legte seinen ganzen Körper hinein und war beinahe genauso überrascht wie Todd, als er ihn schlug. Den Schock in seinen Fingerknöcheln und im Handgelenk spürte er kaum.
Todd taumelte, aber er fiel nicht, sondern starrte ihn nur durch seine gespreizten Finger an, mit denen er sich das Gesicht hielt. Er hätte wissen müssen, dass er ihn nicht mit einem Schlag ausschalten konnte, und so holte Justin noch einmal aus, und dann noch ein drittes Mal. Endlich gingen bei Todd die Lichter aus.
Als er bewusstlos auf dem Boden lag, sah er immer noch überrascht aus: Ich hätte nie gedacht, dass du das draufhast.
»Ach, Scheiße«, knurrte Justin und sank an der Wand zu Boden. Er drückte seine Hand an sich und umfing sie mit der anderen; jeder Knochen darin tat ihm weh. Er
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