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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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fuhr mit einem Finger die schwache Schwellung auf seiner Wange und an seinem Kiefer nach. Inzwischen war das Blut getrocknet. Sie roch den vergossenen Whiskey.
    »Wo bist du nur gewesen?«, meinte sie.
    »Nur im Büro.«
    April versuchte noch immer, das alles in sich aufzunehmen, Todds Gesicht, seine Anwesenheit, einfach alles. »Hast du ihm das angetan?«
    »Nun … ja.« Justin dehnte erneut seine Hand, die ihm noch immer sehr wehtat, allerdings war der Schmerz zu einem dumpfen Pochen geworden. Sie würde am nächsten Morgen wahrscheinlich völlig steif sein.
    April legte ihm beide Hände auf die Schultern, als er sich hinkniete, um Todds Fußknöchel an die Stuhlbeine zu binden. Sie versuchte halbherzig, ihn aufzuhalten, und sie verlangte eine Erklärung. Er schob ihre Hände beiseite und zog dann Todds Arme hinter die Rückenlehne des Stuhls, wo er sie mit dem letzten Gürtel an den Handgelenken zusammenband.
    Dann erhob er sich und sah April in die Augen, zum ersten Mal, seitdem er mit dieser Last in den Armen und auf der Seele zurückgekommen war. Im ersten Augenblick ließ er sie wirklich hinein, sieh in meine Seele und sag mir, was du siehst. Hatte sie nicht vorhin noch gesagt, dass er eine leichte Verrücktheit in sich trug? Was konnte sie dort sehen, nun, da er so viele weitere Gründe gefunden hatte, diese Grenze noch weiter zu überschreiten?
    »Ich brauche Eis«, sagte er und wandte ihr den Rücken zu. Er kramte im Gefrierschrank herum, während sie zu ihm kam; ihre Stimme wurde sowohl spitzer als auch lauter, während er die Eiswürfel herausnahm. Er warf sie in eine leere Rührschüssel aus rostfreiem Stahl, die er dann halb mit Wasser füllte.
    Er hörte ihr mit halbem Ohr zu, wie sie hinter ihm weiterredete … Was hatte er sich dabei gedacht? Hatte er Todd entführt? Und warum, verdammt noch mal, warum? Er tauchte seine schmerzende Hand in die Schüssel mit Eiswasser und hätte am liebsten geweint. Aber dafür war keine Zeit.
    Er drehte sich wieder zu April um und sah ihr ins Gesicht. Es gab Zeiten, da konnte er eine ganze Menge vor ihr verbergen, was besser für sie war. Seine Zweifel und Ängste, seine Fehler, die er verzweifelt zu besiegen versuchte, all das sollte sie nicht sehen. Zu anderen Zeiten hatte er das Gefühl, als könne sie in jeden Winkel seiner Seele blicken. Augenblicke wie diese waren ausgesprochen selten und am allerschlimmsten: wenn er völlig durcheinander war und es nichts mehr zu verbergen gab … und es war ganz offensichtlich, dass sie ihn absolut nicht verstand.
    »Sag nichts mehr«, flüsterte er. »Bitte … nicht. Sieh dir einfach etwas an.«
    Er steckte die linke Hand in seine Jackentasche und holte die Disketten und den gefalteten Ausdruck hervor. Er überreichte ihr alles, und sie wandte ihren verständnislosen Blick kurz von ihm ab.
    »Todd war da und hat Leonards Büro auseinandergenommen. Ich glaube, er suchte die beigefarbene Diskette. Aus seinem Bankschließfach.«
    »Aber du weißt es nicht? Du hast ihm das angetan und du weißt es nicht einmal?«
    Seine Hand wurde in der Kälte ganz taub, und er zog sie für einen Augenblick aus dem Wasser. »Sieh dir das Papier an. Das ist der Ausdruck einer Datei von der Diskette.«
    Er wartete, während sie las. Es gab nur noch sie drei, zwei davon stehend, der dritte mit Gürteln an einen Stuhl gebunden – das Leben wurde erneut mysteriös. Er beobachtete jede Regung ihrer Mandelaugen, er konnte sehen, wie sie das Papier überflog, einmal, zweimal, er ahnte, was sie dachte. Das kann nicht das sein, wonach es aussieht, denn er hatte genau dasselbe gedacht.
    »Der ganze Produktionsablauf von Caribe ist in einer Datei, die auf dieser Diskette versteckt wurde«, sagte Justin. »Diese da, die über die Pads mit Mandelaroma? Sie wurde rauskopiert und noch mal separat gespeichert. Sie sind nur versehentlich da draufgeraten, so muss es gewesen sein … aber der Rest davon sind Kundendaten, die wir von Mullavey Foods bekamen.« Er tauchte seine Hand erneut ein und spürte die Kälte auf seiner Haut brennen. »Sie wussten es, April, sie wussten es. Irgendwie haben sie diese Informationen zweieinhalb Monate vor den Zyanidvergiftungen erhalten.«
    Sie machte einen Schritt und ließ die Arme schlaff an der Seite baumeln. Ihre Hüfte stieß gegen den Küchentisch, dann sank sie auf einen der Stühle. »Das macht doch alles keinen Sinn«, ihre Stimme klang sehr weit weg, als sie die Disketten und den Ausdruck auf die Tischplatte fallen

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