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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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aggressiven Tonfall fort. Vor allem wehrte er sich gegen die Behauptung, Nazim habe seine sexuelle Leidenschaft in religiösen Eifer umgewandelt, und ließ durchblicken, dass die ganze Geschichte auch ein Auswuchs von Sarah Levins Fantasie sein könnte. Nazim Jamal schien seiner Vorstellung nach jenseits von Gut und Böse gestanden zu haben und bestenfalls – als unmittelbare Folge seiner spirituellen Reinheit – das ideale Opfer für gefährliche Verführungskünste gewesen zu sein.
    Während sie Sarah Levins schmerzerfüllten Antworten zuhörte, kam Jenny zum ersten Mal der Gedanke, dass sie Nazim wirklich geliebt haben könnte. Je deutlicher Khans Attacken sie trafen, desto stärker kam ihr Schmerz zum Vorschein. Vielleicht fühlte sie sich für sein Verschwinden verantwortlich – eine schöne, ahnungslose Sirene, die ihn in sein fatales Schicksal getrieben hatte.

24
    J enny kaute lustlos an einem durchgeweichten Käsebrot herum, als Alison an die Tür des kleinen Raums im ersten Stock klopfte. Die fehlenden Zeugen, Tathum und Maitland, seien nun eingetroffen. Maitland habe gebeten, möglichst bald angehört zu werden, da er am nächsten Morgen in den Nahen Osten fliege. Jenny willigte ein, ihn gleich nachmittags zu befragen. Sie wollte ohnehin erst die Beweiskette von Elizabeth Murrays Aussage zu dem schwarzen Toyota bis hin zu Maitlands Unternehmen aufrollen, bevor sie McAvoy als Zeugen in den Saal rufen würde. Pironi und Skene würden danach an der Reihe sein. Die Aussagen des Morgens hatten eine Reihe von Rissen in der offiziellen Darstellung des Falls offenbart, und diese Risse wollte sie nach Möglichkeit noch vergrößern, bevor der Kriminalinspektor und der MI5-Mitarbeiter ihre Aussage machen würden.
    »Ich habe noch einen Antrag von Kriminalinspektor Pironi«, sagte Alison leicht verlegen. »Er lässt fragen, ob Mr. McAvoy woanders als im Sitzungsraum warten könne. Offenbar kann er sich nicht benehmen.«
    »Nur zu gut möglich, dass die Atmosphäre angespannt ist«, sagte Jenny. »In Ordnung. McAvoy soll aber vom Saal ferngehalten werden, solange die anderen ihre Aussage machen.«
    »Danke, Mrs. Cooper«, sagte Alison und zögerte einen Moment.
    Jenny sah sie an. »Was ist denn noch?«
    »Nichts.« Alison drehte sich zur Tür.
    »Sie haben doch wohl nicht mit Dave Pironi gesprochen?«
    »Nein … Ganz bestimmt nicht.«
    »Aber?«
    »Ich sollte Sie nicht mit meiner Meinung behelligen. Er kann seine Position selbst darlegen. Ich hoffe nur, dass dieser Wurm vom MI5 das auch tut.« Bevor Jenny noch nachfragen konnte, was sie damit meinte, war sie bereits verschwunden.
    Doch Jenny ahnte bereits, worum es ging. Alison war überzeugt davon, dass mögliche Versäumnisse in Pironis Ermittlungen ihm nicht angelastet werden konnten. Wie alle guten Polizisten hatte er nur Befehle ausgeführt, aber da er nicht mutig genug war, das auch vor Gericht auszusagen, ließ er die Botschaft von seiner alten Freundin Alison überbringen. Rückgratloser Bastard, dachte Jenny. Und feige noch dazu. Es muss für ihn die Hölle gewesen sein, den gesamten Morgen über mit McAvoy im selben Raum zu hocken – sein personifiziertes schlechtes Gewissen stets vor Augen.
    Madog leistete stotternd den Eid und fummelte an seiner Brille herum, als Jenny ihm ein paar einleitende Fragen stellte, von denen sie etliche wiederholen musste. Nach ein paar Anläufen stand immerhin fest, dass er neunundfünfzig Jahre alt war und seit dreiundzwanzig Jahren als Mautkassierer an der Severn Bridge arbeitete.
    »Ich gebe zu, dass es lange her ist, Mr. Madog, aber können Sie sich daran erinnern, ob Sie in der Nacht vom 28. Juni 2002 auf den 29. etwas Ungewöhnliches bemerkt haben?«
    Ängstlich schaute Madog zu den Anwälten hinüber, bevor er wieder Jenny ansah. »Sie meinen das schwarze Auto?«
    »Wenn Sie uns bitte kurz erzählen würden, was in Ihrer Aussage steht.«
    »Nun, es war spät. Gegen elf Uhr abends ungefähr«, begann er unsicher. »Ich saß im Kassenhäuschen, als ein schwarzer Wagen vorfuhr. Vorne saßen zwei weiße Männer, hinten zwei Indopakistaner.«
    Seine Antwort löste unter den Anwälten ein erregtes Flüstern aus. Martha Denton und Havilland drehten sich zu ihren jeweiligen Beratern um, dann steckten sie alle die Köpfe zusammen. Alun Rhys zeigte keine Reaktion.
    »Um was für einen Wagentyp handelte es sich?«
    »Einen Siebensitzer. Ein Toyota, glaube ich. Schwarz.«
    »Können Sie die Insassen genauer

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