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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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jedenfallshätte es getan, daran kann gar kein Zweifel bestehen.« Er schaute einen Moment zu Boden, und sein Mund zuckte, als würde er an einem nervösen Tick leiden. Mit unerwartetem Eifer in den Augen blickte er wieder auf. »Und obwohl Sie keinerlei Anklage zu befürchten haben, und obwohl diese Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet und Ihre Worte niemals irgendjemandem zu Ohren kommen werden, sind Sie immer noch nicht Manns genug zuzugeben, dass man Ihnen diese Aussage im Tausch gegen Gefälligkeiten untergeschoben hat. Die Aussage war eine Lüge, Mr. Donovan, nicht wahr?«
    Collins war aus sich herausgegangen und hatte damit alle überrascht. Kerzengerade saßen die Jurymitglieder da und verfolgten interessiert die Szene. Sie musterten Donovan, der sich in einem abfälligen Lächeln versuchte, während sein Hals sich immer röter färbte.
    »Nein«, sagte Donovan knapp. »Ich habe sie wirklich gesehen. Zwei Indopakistaner. Ich bin mir sicher, dass sie es waren.«
    Als er den Zeugenstand verließ und erleichtert durch den Saal hindurch zum Ausgang eilte, ermahnte sich Jenny, dass es nicht ihre Aufgabe war, stur McAvoys Vorgaben umzusetzen. Es war nicht ausgeschlossen, dass Donovan tatsächlich die Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht hatte er zwei Indopakistaner im Zug gesehen, und vielleicht waren es tatsächlich Nazim und Rafi gewesen. Sie musste für alle Möglichkeiten offen bleiben.
    Sie atmete tief durch. Ganz ruhig , sagte sie sich. Die Leute vertrauen darauf, dass du die Wahrheit herausfindest. Versuche in ihrem Interesse, die Ruhe zu bewahren.
    Dr. Sarah Levin gelang es mühelos, bei ihrem Auftritt gleichzeitig seriös und atemberaubend zu wirken. Den Eid auf dieBibel verweigerte sie und legte stattdessen eine eidesstattliche Erklärung ab. Jenny stellte sich vor, wie McAvoy Levin provozieren würde. Dann wollen wir mal sehen, was von dem Atheisten in Ihnen übrig bleibt, wenn die Ewigkeit ruft , würde er sagen. Werden Sie dann lieber Ihren lange vernachlässigten Priester oder Ihren Friseur an Ihrem Bett sitzen haben wollen?
    »Dr. Levin«, sagte Jenny und verdrängte die unfreundlichen Gedanken. »Sie haben im gleichen Jahrgang wie Nazim Jamal Physik studiert, nicht wahr?«
    »Ja, das habe ich.«
    »Sie haben dieselben Vorlesungen und Tutorien besucht?«
    »Ja, das haben wir.«
    »Sie hatten ein Zimmer im Goldney, einem anderen Studentenwohnheim?«
    »Das ist richtig.«
    »Und ungefähr zwölf Tage nach Nazims Verschwinden haben Sie bei der Polizei eine Aussage gemacht.«
    »Ja.«
    »Erinnern Sie sich, was Sie damals gesagt haben?«
    »Ich habe gesagt, dass ich in der Mensa ein Gespräch mitbekommen habe, in dem er über Brüder geredet hat, die zum Kämpfen nach Afghanistan gehen. In der Unterhaltung ging es darum, dass Dschihadisten gegen Briten und Amerikaner kämpfen. Nazim schien von der Idee beeindruckt zu sein. Ob er sich allerdings nur aufspielen wollte, kann ich nicht sagen.« Sie zuckte mit den Achseln. »Sie waren sehr jung.«
    »Wann war das?«
    »Irgendwann im Sommertrimester. Im Mai vielleicht.«
    »Hat Nazim Ihnen gegenüber je erwähnt, dass er darüber nachdenke, nach Afghanistan zu gehen?«
    »Nein. Nie.«
    Jenny machte eine kurze Pause und ermahnte sich selbst, ihre Fragen nicht zu übereilt zu stellen und Dr. Levin die Wahrheit geduldig zu entlocken.
    »Ihre Aussage bei der Polizei datiert vom 28. Juli. Drei Wochen nachdem Nazim Jamal und Rafi Hassan verschwunden waren. Was war in der Zwischenzeit passiert?«
    »Das war nach Trimesterende. Ich bin noch eine Weile auf dem Campus geblieben. Vorher war alles so hektisch gewesen, aber als es dann ruhiger wurde, habe ich mich an dieses Gespräch erinnert.«
    »Die Polizei hatte vorher schon mit Studenten gesprochen, nicht wahr?«
    »Es waren ein paar Polizisten dort, ja. Mich hat allerdings niemand gefragt.«
    »Aha. Und als Sie sich an dieses Gespräch erinnerten, das Sie mitbekommen haben, was dachten Sie da?«
    »Ich nehme an, dass ich es für richtig hielt, die Polizei zu informieren.«
    »Sind Sie auf das Präsidium gegangen, oder ist die Polizei zu Ihnen gekommen?«
    »Im Physikinstitut hing ein Zettel mit einer Nummer aus. Die habe ich angerufen.«
    »Damals hatte auch Mr. Donovan schon seine Aussage gemacht. In der Lokalpresse war davon berichtet worden.«
    »Das habe ich mitbekommen. Vielleicht hat mich das auch auf die Idee gebracht.«
    Jenny betrachtete Sarah Levin sehr genau. Ihr Auftreten war bescheiden,

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