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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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beschreiben?«
    Nachdem Jenny ihn noch ein wenig drängte, gab Madog endlich eine holprige Beschreibung von dem Mann mit dem kahl geschorenen Schädel, dem Mann mit dem Pferdeschwanz und den beiden verängstigten Mitfahrern auf der Rückbank ab. Während er redete, bemerkte Jenny, wie Mr. Jamal entsetzt die Augen aufriss und seine bisherige Gefasstheit Empörung wich.
    »Sie kassieren jeden Tag Hunderte von Fahrzeugen ab«, sagte Jenny. »Was war an diesem Wagen so besonders, dass er Ihre Aufmerksamkeit erregt hat?«
    »Der Fahrer war äußerst arrogant. Kein Bitte, kein Danke, das Wechselgeld hat er mir praktisch aus der Hand gerissen. Und einer der Typen auf der Rückbank hat mich auf so eine Weise angeschaut, die ich nie vergessen werde. Er trug einen Bart, aber irgendetwas an ihm hat mich berührt. Er sah noch so jung aus, fast wie ein Kind.«
    »Frau Gerichtsdienerin, könnten Sie dem Zeugen bitte Fotos von Nazim Jamal und Rafi Hassan zeigen?«
    Alison verließ ihren Tisch an der Saalseite und brachte Madog zwei Bilder. Er sah sie sich an, dann nickte er. »Das waren sie.« Schließlich tippte er auf das linke Foto. »Das ist der, an den ich mich erinnere.«
    Alison sah auf den Aufkleber auf der Rückseite. »Er meint Nazim Jamal, Ma’am.«
    Mr. Jamal schaute Jenny nun direkt an, entsetzt und erwartungsvoll. Er hoffte zu erfahren, wie sich die Bruchstücke des Falls zu einem Ganzen zusammenfügen würden.
    »Haben Sie die Insassen dieses Wagens noch einmal wiedergesehen, Mr. Madog?«
    »Ja, leider …«
    Alun Rhys saß noch immer ruhig auf seiner Bank. Jenny beobachtete, dass er sich nicht die geringste Überraschung anmerken ließ. Er wirkte, als wüsste er, was noch kommen würde.
    »Fahren Sie fort, Mr. Madog.«
    Immer wieder gegen seine schwachen Nerven ankämpfend erzählte er von der Begegnung mit dem Mann mit dem Pferdeschwanz am darauffolgenden Samstag. Er berichtete der Jury, dass der Mann Farbe ins Haar seiner damals sechsjährigen Enkelin gesprüht und dabei noch nicht einmal wütend ausgesehen habe. Er habe überhaupt keine Gefühle gezeigt, sagte Madog.
    »Haben Sie der Polizei von dem Angriff auf Ihre Enkelin erzählt?«
    »Das habe ich mich nicht getraut. Ich wollte sie doch nicht in Gefahr bringen.«
    »Haben Sie den Mann seither noch einmal gesehen?«
    Madog schüttelte den Kopf.
    Jenny drehte sich der Magen um. Sie sah zu Alison hinüber, die leicht mit den Achseln zuckte. Madog hatte mindestens eine Viertelstunde lang mit Tathum im selben Raumgesessen, bevor er in den Zeugenstand getreten war. Sein Gesicht hätte er in jedem Fall wiedererkennen müssen, auch wenn er jetzt keinen Pferdeschwanz mehr trug. Sie könnte Tathum in den Saal rufen und Madog bitten, ihn zu identifizieren, aber das Risiko war zu groß. Die höheren Gerichte sahen es nicht gerne, wenn es während einer Verhandlung oder Anhörung zu Gegenüberstellungen kam – die Umgebung und die Umstände konnten die Zeugen unter Druck setzen. Solange Madog aber Tathum nicht identifiziert hatte, würde ein wichtiges Glied in Jennys Beweiskette fehlen.
    Sie beschloss, auf Zeit zu spielen. Sie würde Madog bitten, nach seiner Aussage im Saal zu bleiben, und ihn nach Tathums Aussage noch einmal in den Zeugenstand bitten.
    Sie forderte die Anwälte auf, Fragen zu stellen. Havilland verwies auf Martha Denton, die aufstand und Madog mit einem amüsierten Lächeln betrachtete.
    »Sie behaupten, sich an einen Wagen und seine Insassen zu erinnern, obwohl das betreffende Ereignis fast ein Jahrzehnt zurückliegt.«
    »Nun ja …« Madog schaute zu Jenny hinüber. »Kurz nach dem besagten Abend hat mich schon einmal jemand danach gefragt. Ich glaube, es war im Juli.«
    »Ach ja? Und wer war das?«
    »Mr. Dean hieß er, wenn ich mich richtig erinnere. Er sagte, er sei Privatdetektiv.«
    »Privatdetektiv in wessen Auftrag?«
    »Das kann ich Ihnen sagen, Miss Denton«, mischte sich Jenny ein. »Mr. Dean war von Mrs. Jamals damaligem Anwalt beauftragt worden.«
    »Aha.« Martha Dentons Solicitor zog sie am Ellbogen und flüsterte ihr etwas zu. Sie lächelte und wandte sich dann angriffslustig an den Zeugen. »Dieser Anwalt war Mr. Alec McAvoy, nicht wahr? Er wurde im Dezember 2002 für denVersuch der Rechtsbeugung ins Gefängnis gesteckt. Vermutlich war Mr. McAvoy damals bereits in Haft, oder?«
    »Davon wusste ich nichts«, sagte Madog.
    Jenny wünschte sich, sie hätte den Mund gehalten. »Sie werden Mr. McAvoy zu gegebener Zeit selbst hören. Dann

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