Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
Vom Netzwerk:
wusste nur, dass sie dreiundzwanzig war und in Cardiff lebte. Da sie spürte, dass Alison aus Erfahrung sprach, sagte Jenny: »Ich werde Mrs. Jamal in einem lichten Moment erklären, dass die Untersuchung eines Coroners unparteiisch ist und nicht dazu dient, ihre Theorien zu bestätigen.«
    »Viel Erfolg.« Alison reichte ihr einen Zettel mit einem Namen und einer Telefonnummer.
    »Wer ist das?«
    »Kriminalinspektor Dave Pironi, ein alter Freund und Kollege von mir«, sagte Alison. Im Klartext hieß das, dass Jenny den Kontakt nicht überstrapazieren durfte. »Er hat damals die Observierung der Al-Rahma-Moschee geleitet.«
    »Danke. Gibt es irgendetwas, das ich über ihn wissen sollte?«
    »Er ist ein guter Mensch. Hat vor ein paar Jahren seine Frau verloren. Brustkrebs. Sein Sohn ist Unteroffizier bei den Schützen. Er ist gerade zum dritten Mal nach Afghanistan aufgebrochen.«
    Jenny nickte. Die Botschaft war angekommen.
    Sie verabredeten sich an einem neutralen Ort, in einem Café einer großen Kette zwischen Jennys Büro und New Bridewell, wo Pironis Polizeiwache lag. Jenny war als Erste da und setzte sich möglichst weit weg von den Lautsprechern, aus denen ein alter Fleetwood-Mac-Song wummerte.
    Aus dem knappen Telefongespräch hatte sie den Eindruck gewonnen, dass Kriminalinspektor Pironi ein mürrischer, einsilbiger Mann war. Bestimmt ein typischer Polizeibeamter mit feistem Gesicht und leerem Blick, den nichts mehr schockieren konnte. Der Mann, der jetzt mit einem Espresso und einem Glas Wasser zu ihr herüberkam, wirkte eher wie ein Geschäftsmann, der soeben einen lukrativen Deal abgeschlossen hat. Er war Anfang fünfzig und sah für sein Alter ausgesprochen gut aus. Unter einem Wollblazer trug er ein schwarzes Strickshirt, beides edel und lässig, wahrscheinlich aus Italien. Ihr Blick fiel auf seine Fingernägel: Sie waren gefeilt und poliert.
    »Mrs. Cooper?« Er sprach mit leichtem Waliser Akzent.
    »Ja.« Sie erhob sich kurz von ihrem Stuhl und schüttelte seine Hand.
    »Leider habe ich nicht viel Zeit.«
    »Kein Problem. Liegt etwas Aufregendes an?«
    »Ich muss vor Gericht aussagen. Haben Sie von Marek Stich gehört? Ein Tscheche. Hat letztes Jahr einen uniformierten Kollegen erschossen. Hartes Stück Arbeit.«
    »Kann ich mir vorstellen. Nachtclubbesitzer, oder?«
    »Der Club ist eins seiner Interessengebiete. Unser Jungewar gerade fertig mit der Ausbildung. Er hat Stich rausgewunken, weil er bei Rot über die Ampel gefahren war, und peng .«
    »Wird man ihn rankriegen?«
    »Das hoffe ich doch. Allerdings nur wegen der gerichtsmedizinischen Daten. Kein Zeuge hatte den Mumm auszusagen.« Er schüttelte den Kopf, als er Süßstoff in den Espresso rührte. »Wissen Sie, was die Leute wirklich gegen die Polizei aufgebracht hat? Die Radarkameras am Straßenrand. Die Maschine als Richter, Jury und Vollstrecker in einem, ohne jeden Ermessensspielraum. Das bringt die Leute dazu, jegliche Autorität zu verachten.«
    »Sie sind ein Typ, der im Zweifelsfall auf der Seite des Angeklagten steht, stimmt’s?«
    »Das war ich schon immer.« Er lächelte, als er die Tasse zum Mund führte.
    Jenny versuchte, den schicken, modernen Kriminalinspektor mit dem Bild in Einklang zu bringen, das sie vom Polizeialltag hatte. Was sagte es über einen Polizisten auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn aus, wenn er eine solche Selbstbeherrschung an den Tag legte? Was hatte er zu verbergen?
    Sie ging zum Geschäftlichen über. »Alison hat mir erzählt, dass Sie mit der Observierung der Al-Rahma-Moschee betraut waren.«
    »Mhm.« Mit kontrollierter Präzision setzte er die Tasse zurück auf die Untertasse.
    »Können Sie mir erzählen, wonach Sie gesucht haben?«
    »Uns waren Informationen zugetragen worden, dass Extremisten dort Zellen aufbauen, um junge Leute für die Hizb ut-Tahrir und andere Organisationen anzuwerben. Damals hatten wir noch keine Informanten. Drei Monate lang mussten wir warten und beobachten, um an Namen, Zeiten und Ortsangaben zu kommen.«
    »Dürfen Sie sagen, woher die Informationen stammten?«
    »Formulieren wir es mal so: Wir waren einer der Partner in dieser Geschichte.«
    »Neben den Geheimdiensten?«
    »Ich bin nur ein bescheidener Kriminalinspektor, Mrs. Cooper. Wenn ich auf solche Fragen eine klare Antwort geben würde, käme ich in Teufels Küche.«
    Der Polizist in ihm hatte das Wort ergriffen: Pironi ließ etwas durchblicken, tat aber so, als würde er es nicht tun, und hielt sich dabei für

Weitere Kostenlose Bücher