Totenstätte
unser Bestes, um Brücken zur muslimischen Bevölkerung zu bauen.«
Es entstand eine Pause. Jenny hatte das Gefühl, dass die beiden eine Reaktion von ihr erwarteten. Gillian Golders indirekte Art verwirrte sie und machte sie wütend. »Möchten Sie über etwas Bestimmtes mit mir reden?«, fragte sie.
»Dies ist ein Fall, in dem heikle Dinge zur Sprache kommen könnten«, sagte Golder. »Und wir wissen doch, dass die Medien dazu neigen, auf Geschichten wie diesen herumzureiten und sie aufzubauschen.« Sie schaute ihren Kollegen an. »Wir haben unsererseits das Gefühl, dass man sich vielleicht gleich zu Beginn gegen ein gewisses Misstrauen absichern sollte, damit eine größere Hysterie vermieden wird.«
»Misstrauen?«, Jenny täuschte Unverständnis vor.
»Ja, genau.« Gillian Golder nahm eine neue Position auf ihrem Stuhl ein. »Mrs. Jamal ist natürlich sehr aufgewühlt – jeder in ihrer Lage wäre das. Aber sie könnte auch eine gerichtliche Untersuchung dazu nutzen, ihre irrationalen Empfindungen in die Öffentlichkeit zu tragen. Es wäre bedauernswert, würde eine ordnungsgemäße Untersuchung auf diese Weise missbraucht werden, zumal wir in den letzten Jahren so hart daran gearbeitet haben, das Vertrauen der jungen britischen Muslime zu gewinnen.«
»Ich kann Mrs. Jamal nicht davon abhalten, mit der Presse zu sprechen, falls Sie das meinen.«
»Natürlich nicht. Wir möchten einfach nur vermeiden, dass sie ungerechtfertigte Behauptungen über den Geheimdienst in die Welt setzt. Natürlich werden wir so weit wie möglich kooperieren, aber wir können Ihnen jetzt schon sagen, dass wir praktisch nichts darüber wissen, was damals mit Jamal und Hassan geschehen ist. Wir haben uns alle Akten angeschaut, wirklich, aber die Spur hat sich verlaufen.«
»Werde ich Gelegenheit haben, Einblick in diese Akten zu nehmen?«
»Das wird eine höhere Stelle entscheiden. Manchmal beantragen wir aus Gründen des öffentlichen Interesses, Akten unter Verschluss halten zu dürfen – auch um unsere Methoden nicht zu verraten. Wir werden Ihnen aber in jedem Fall einen Zeugen zur Verfügung stellen, der Ihnen alles über die Ermittlungsergebnisse erzählen kann.«
»Was ist mit den Polizeiprotokollen? Ich vermute, die haben Sie auch schon gelesen?«
»Ebenfalls nichts von Belang. Zumindest nicht in denen, die noch übrig sind.«
Jenny lehnte sich zurück und versuchte sich ein klares Bild von der Situation zu machen. Sie hatte das Gefühl, dass man sie schon jetzt, zu Beginn ihrer Nachfragen, kontrollieren und mundtot machen wollte. Die Überbringer der Botschaft wirkten allerdings so freundlich, dass sie sich nicht ganz sicher sein konnte.
»Damit ich das auch richtig verstehe«, sagte Jenny. »Sie wollen mir mitteilen, dass Sie mir, wenn ich eine gerichtliche Untersuchung durchführe, einen Zeugen vom Geheimdienst zur Verfügung stellen, ich aber die Akten nicht einsehen darf.«
Gillian Golder nickte. »So in etwa.«
»Und Sie bitten mich, nicht auf die Einsicht von weiterem Beweismaterial zu drängen oder Mrs. Jamal auf den Gedanken zu bringen, dass es geheime Informationen geben könnte, zu denen ich keinen Zugang habe.«
Jetzt mischte sich Rhys ein. »Wir wollen Ihnen keine Steine in den Weg legen, Mrs. Cooper. Wir möchten nur, dass zwei Dinge klar sind. Zum einen ist die Chance, dass irgendwelche unserer internen Daten oder Berichte zu einer öffentlichen Untersuchung beitragen, mehr als gering. Im allergünstigsten Fall werden Sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit Einblick nehmen können. Zum anderen bittenwir Sie, uns zu glauben, dass wir absolut keine Ahnung haben, was mit Nazim Jamal und Rafi Hassan geschehen ist. Wir haben mit dem pensionierten Mitarbeiter gesprochen, der damals für den Fall verantwortlich war. Die beiden sind verschwunden. Vom Erdboden verschwunden, meine ich. Richtig ist, dass die Ermittlungen nach einem Monat eingestellt wurden, aber nachdem die beiden im Zug gesehen wurden, hat es keinerlei ernst zu nehmende Hinweise mehr gegeben.«
»Was denken Sie also, was mit ihnen geschehen ist?«
»Wir nehmen an, dass sie ins Ausland gegangen sind. So wie viele andere damals auch.«
»Andere Theorien haben Sie nicht?«
»Keine glaubwürdigen. Sie waren nur zwei muslimische Jungen, die mit dem Radikalismus geflirtet haben und wahrscheinlich zum Kämpfen abberufen wurden.«
»Ist es denn wirklich so leicht, das Land zu verlassen? Das kann ich mir kaum vorstellen.«
Beide lächelten
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