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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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Terroristen hingestellt wurden, konnte sie ihnen nicht verdenken, dass sie sich zurückzogen.
    »Sie haben am 8. Juli 2002 bei der Polizei eine Aussage gemacht«, sagte Jenny. »Wie kam es dazu?«
    »Die Polizisten sind durch Manor Hall gegangen. Sie haben an alle Türen geklopft und jeden gefragt, was er über Nazim und Rafi wusste. Wann sie zum letzten Mal gesehen wurden und mit wem sie zusammen waren zum Beispiel.«
    »Konnten Sie ihnen behilflich sein?«
    »Nicht wirklich. Ich weiß nur noch, dass ich ihnen erzählt habe, dass ich an dem Freitag, an dem sie angeblich verschwanden, einen Fremden aus Manor Hall habe kommen sehen.«
    »Freitag, den 28. Juni?«
    »Ja. Ich war ausgegangen und kam zurück. Es war schon spät. Ungefähr Mitternacht. Nicht gerade nüchtern ging ich durch den Haupteingang, und ein großer Mann kam die Treppe heruntergelaufen. Er hatte es ziemlich eilig. Er rannte mich fast um, was ihn aber nicht weiter bekümmerte.«
    »Wie sah er aus?«
    »Eher dünn. Irgendwie drahtig. Er hatte eine Baseballkappe ins Gesicht gezogen, sodass ich ihn nicht erkennen konnte. Außerdem trug er einen dicken blauen Anorak, was mir mitten im Sommer komisch vorkam. Ich glaube, er hatte einen Rucksack geschultert.«
    »In Ihrer Aussage steht, er habe einen Rucksack oder eine Reisetasche dabeigehabt.«
    »Genau weiß ich das nicht mehr. Aber ich bin mir sicher, dass mir das merkwürdig vorkam und dass ich dachte: was für Manieren, mich fast umzurennen.«
    »Haben Sie irgendeine Vorstellung, was die Polizei mit diesen Informationen angefangen hat?«
    »Nein. Ich habe meine Aussage gemacht, und das war’s.«
    »Hat sonst noch jemand den Mann gesehen?«
    »Nicht dass ich wüsste. Es war ja schon spät.«
    »Wir haben etliche Studenten aus Ihrem Jahrgang kontaktiert«, erklärte Jenny. »Praktisch niemand hatte irgendetwas zu Nazim oder Rafi zu sagen. Können Sie sich vorstellen, warum das so ist?«
    »Vermutlich, weil niemand die beiden kannte.«
    Jenny nickte. Ihr kleiner Spaziergang über den Campushatte genügt, um die Begründung plausibel erscheinen zu lassen. Tief religiöse und politisierte Muslime lebten in einer anderen Welt.
    Sie wollte schon den Anwälten die Möglichkeit geben, ihrerseits Fragen zu stellen, als ihr die Aussage von Sarah Levin wieder einfiel. Sie hatte kurz nach Dani mit der Polizei gesprochen und war erst am nächsten Tag als Zeugin vorgesehen. Jenny nahm die Akte und schlug eine markierte Seite auf. Viel stand dort nicht, nur zwei Absätze. Der erste umfasste Levins persönliche Daten und stellte fest, dass sie im selben Jahrgang und in derselben Fakultät wie Nazim studiert hatte. Der zweite Abschnitt gab ein Gespräch wider, das sie im Mai 2002 zufällig mitbekommen hatte.
    »Erinnern Sie sich an eine Studentin namens Sarah Levin?«, fragte Jenny.
    »Nur undeutlich. Ich glaube, sie hat in einem anderen Haus gewohnt.«
    »Richtig, in Goldney Hall. Damals sagte sie am 10. Juli aus, dass sie im Mai 2002 in der Mensa auf dem zentralen Campus ein Gespräch zwischen Nazim und anderen Indopakistanern mitbekommen hat.« Jenny las laut vor.

    Ich habe gehört, wie er gesagt hat, dass ein paar »Brüder« sich als Freiwillige gemeldet hätten, um in Afghanistan gegen die Amerikaner zu kämpfen. Das ist alles, was ich verstanden habe. Es war nur ein Gesprächsfetzen, aber ich hatte den Eindruck, dass sie über junge Muslime sprachen, die engagiert genug waren, um für ihre Überzeugungen zu kämpfen. An Nazims Gesichtsausdruck kann ich mich allerdings noch sehr gut erinnern. Er schien große Ehrfurcht vor diesen Leuten zu haben.
    »Haben Sie ähnliche Gespräche mitbekommen?«
    Dani schüttelte verhalten den Kopf.
    »Sind Sie sich ganz sicher?«
    Die junge Anwältin schaute von Jenny zu Mrs. Jamal hinüber, dann wieder zurück zu Jenny. »Überraschend finde ich das nicht. Nazim war schon manchmal ein Macho.« Sie warf Mrs. Jamal einen Blick zu. »Aber was seine Mutter vorhin gesagt hat … dass er sich damals verändert hat …« Sie schluckte. Aus ihrem Gesicht war die Farbe gewichen.
    »Ja?«
    Dani öffnete den Mund, hielt aber irritiert inne, als hinten im Saal die Tür aufging und ein großer Mann in einem langen Mantel eintrat. Jenny erkannte McAvoy sofort wieder. Auch er hatte sie mit seinen blauen Augen längst gefunden und nickte ihr zu, bevor er sich zwischen den jungen Männern an die hintere Saalwand lehnte.
    Jenny löste ihren Blick von ihm. »Sie wollten etwas sagen, Miss

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