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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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ernst. Selbst Alison schien von so viel Aufrichtigkeit beeindruckt.
    »Wie ging es mit Sayeed Faruq weiter?«, fragte Jenny. »Wo ist er abgeblieben?«
    »Er ist nach Pakistan gegangen. Er war klug genug, um zu wissen, dass er in diesem Land immer ein Verdächtiger sein würde.«
    »Und Sie glauben nicht, dass er mit dem Verschwinden der beiden Jungen etwas zu tun hatte?«
    »Noch einmal, ich schwöre es. Was auch immer mit ihnen geschehen sein mag, es ist mir genauso rätselhaft wie Ihnen.« Er wandte sich an Mrs. Jamal. »Ich wünschte wirklich, es wäre anders, Ma’am.«
    Fraser Havilland und Martha Denton nahmen das Angebot nicht an, dem Zeugen weitere Fragen zu stellen. Nachdem sich bei Jennys Verhör nicht die geringsten Abgründe aufgetan hatten, waren sie nicht geneigt, ihrerseits das Risiko freiwillig einzugehen. Ihre Zurückhaltung strafte Gillian Golders Aussage Lügen, die behauptet hatte, die Geheimdienste würden die Wahrheit genauso gerne herausfinden wollen wie Jenny. Eine große Überraschung war das nicht. Allmählich teilte Jenny Yusuf Khans Überzeugung, dass man die Untersuchung nur deshalb genehmigt hatte, weil man abgesehen davon, dass sich das sowieso schon verheerende Bild von jungen muslimischen Männern noch verschlechtern könnte, keinerlei Gefahren befürchtete. Vielleicht hatte Rhys ihr mit seiner SMS einfach nur mitteilen wollen, dass sie die Konsequenzen einer ergebnislosen Untersuchung alleine zu tragen habe. Wenn Jenny die Wahrheit nicht ans Licht brachte, würde sie es sich selbst zuschreiben müssen.
    Sie verdrängte die beunruhigenden Gedanken und wollte von Yusuf Khan wissen, ob er den Zeugen noch zu befragen wünschte.
    »Nur kurz, Ma’am.« Er wandte sich an Ali. »Sie müssen doch ebenso wie ich von den Gerüchten gehört haben, dass im Präventivkrieg gegen den Terror Lockvögel eingesetzt wurden, um potentiell radikale junge Männer ins Ausland zu locken. Ihr Schicksal können wir nur erahnen.«
    »Ja, davon habe ich gehört.«
    »Ist je jemand mit einem solchen Anliegen an Sie oder an irgendeinen Ihrer Bekannten herangetreten?«
    Mr. Ali zögerte lange genug, bis er schließlich verneinte, um in Jennys Augen unglaubwürdig zu erscheinen. Aus der Art und Weise, wie Yusuf Khan ihn ansah, schloss sie, dass er seine Antwort genauso anzweifelte.
    Dani James war achtundzwanzig Jahre alt und arbeitete in einer gut gehenden Kanzlei in Bath, die auf Nachlassverwaltung für extrem wohlhabende Bürger spezialisiert war. Ihr attraktives Gesicht wirkte offen und flößte Vertrauen ein. Ihr Akzent aus Manchester nahm die Zuhörer für sie ein. Sie war eine unkomplizierte, aufrichtige Frau, so Jennys erster Eindruck. Dani hatte den ganzen Morgen über geduldig gewartet und schien noch nicht einmal verärgert darüber zu sein, dass man sie aus ihrem hektischen Berufsalltag herausgerissen hatte.
    Jenny ließ sich von ihr bestätigen, dass sie im selben Jahrgang wie Rafi und Nazim gewesen war. Sie hatte Jura studiert und in einem Zimmer im ersten Stock von Manor Hall gewohnt. Sie gab an, mit Rafi nicht viel zu tun gehabt zu haben. Man habe nur dieselben Seminare besucht. Ersei ein stiller Student gewesen und meist allein für sich geblieben. Im Gemeinschaftsraum hatte sie ihn allerdings mit anderen indopakistanischen Studenten reden sehen und so den Eindruck gewonnen, dass er sich lieber unter seinesgleichen aufhielt. Nazim war geselliger gewesen. Sie erinnerte sich, dass sie ihn im ersten Herbst des Studiums auf etlichen Partys gesehen hatte. Er konnte gut tanzen und war das reinste Energiebündel. Das, was sie von ihm mitbekam, gefiel ihr.
    Im Frühjahr darauf erkannte sie ihn kaum wieder, als er mit Bart und Gebetskappe durch den Flur ging. Ein paarmal grüßte sie ihn noch, erhielt aber kaum eine Antwort. Ihr fiel auf, dass er und Rafi nun identische Kleidung trugen und sich aus dem Studentenleben zurückgezogen hatten. Sie kamen nicht mehr zu Partys und gingen auch nicht mehr in Bars, noch nicht einmal für einen Orangensaft. Dani wusste noch, dass sie das schade fand, aber viele muslimische Studenten waren anders geworden, empfindlicher, und blieben unter sich. In Danis Jahrgang war eine Studentin gewesen, die kurze Röcke trug und jede Woche mit einem anderen Mann schlief. Gegen Ende des Frühlings trank sie plötzlich keinen Alkohol mehr, traf sich nicht mehr mit Männern und war vollständig verschleiert. Jeder nach seiner Fasson, hatte Dani gedacht. Da Muslime allgemein als

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