Totenstätte
Monat später bin ich deswegen sogar im Krankenhaus gelandet. Die Schädigung ist dauerhaft, vielleicht kann ich keine Kinder mehr bekommen.« Sie wandte sich an Jenny. »Sie können das alles im Arztbericht nachlesen.«
Martha Denton wirkte verunsichert. »Vielleicht haben Sie auch nur Probleme mit der Vorstellung, dass er Sie benutzt hat.«
Dani antwortete nicht, und Jenny drängte sie nicht dazu.
»Vielleicht sollten wir Ihnen aber auch gar nicht glauben. Sieben Jahre lang zu schweigen und dann mit einer Geschichte aufzuwarten, die, wie Sie nur zu gut wissen, jede Menge Staub aufwirbeln wird …«
»Ich sage die Wahrheit.« Dani schaute Mrs. Jamal an. »Es tut mir nur leid, dass ich es nicht schon früher erzählt habe.«
Martha Denton sah skeptisch zur Jury hinüber. »Da sprechen Sie mit Sicherheit für uns alle.«
Yusuf Khan, der die Entwicklung von Danis Aussage mit einer gewissen Verlegenheit registriert hatte, wollte selbst keine Fragen stellen, bat aber darum, dass dem Gericht der Arztbericht zur Verfügung gestellt werde. Dani gab ihr Einverständnis.
Bevor sie die junge Anwältin entließ, fragte Jenny, ob sie vor Nazim bereits mit anderen Männern geschlafen habe. Sie erklärte, dass sie in ihrem ersten Trimester mit einem Jungen zusammen gewesen sei, mit dem sie aber immer Kondome benutzt habe. Bei Nazim hatte sie es darauf ankommen lassen. Sie hatte keinerlei Zweifel, dass sie sich bei ihm angesteckt hatte.
Jenny bat Alison vor versammeltem Gericht, den Anwälten Kopien von Nazims und Rafis Arztberichten zur Verfügung zu stellen, und erklärte der Jury, dass es ihres Wissens nach bisher keine Hinweise darauf gebe, dass Nazim Geschlechtskrankheiten oder sonst irgendein Gesundheitsproblem gehabt hatte. Den Unterlagen seines Hausarztes zufolge hatte Nazim ihn in den drei Jahren vor seinem Verschwinden nicht mehr aufgesucht.
Dani James trat aus dem Zeugenstand und verließ den Saal. In den Blicken, die ihr folgten, spiegelten sich Bewunderung und Misstrauen. Jenny war beeindruckt von ihr. Sie war eine erfolgreiche Anwältin und hatte einen Ruf zu verlieren. Es musste sie großen Mut gekostet haben, eine solche Aussage zu machen.
Vor der Mittagspause blieb noch Zeit für einen weiteren Zeugen. Sie entschied sich für Robert Donovan, um in der Pause dann ihre Fragen an McAvoy vorzubereiten, von denen sich bereits eine lange Liste angesammelt hatte.
Donovan war ein dreiundfünfzigjähriger Verwaltungschef einer Ford-Niederlassung. Er war verheiratet und lebte inStoke Bishop, einem Vorort von Bristol. Der Mann, der einzig und allein durch seine Unscheinbarkeit auffiel, erzählte dem Gericht, dass er ein paar Wochen nach Nazims und Rafis Verschwinden ihre Fotos in der Bristol Evening Post gesehen habe. Sofort habe er die beiden jungen Männer wiedererkannt, die am Samstag, den 29. Juni, im Zehn-Uhr-Zug von Bristol Parkway nach London Paddington auf der anderen Gangseite gesessen hätten. Er selbst war, so wie viele der Mitreisenden, auf dem Weg zu einem Fußballspiel gewesen, und die beiden waren ihm vor allem deshalb aufgefallen, weil sie das Verhalten der ziemlich aufgekratzten Fans ganz offensichtlich missbilligten. Soweit er sich erinnern konnte, trugen sie schicke Freizeitkleidung und hatten nur wenig Gepäck dabei.
»Sie konnten sich nach drei Wochen noch so deutlich an die Gesichter der Fremden erinnern?«, fragte Jenny.
»Sie stachen irgendwie aus der Menge heraus«, sagte Donovan. »Vielleicht weil sie so jung waren und Bärte trugen. Damals waren wir ja wegen der Terroristen alle ziemlich nervös. Da achtete man in Zügen auf so etwas.«
»Ist das eine höfliche Umschreibung dafür, dass Ihnen die beiden Angst einjagten?«
»Ich bin kein Rassist«, sagte Donovan. »In meinem Körper fließt kein Tropfen rassistischen Bluts. Aber man muss sich doch wundern, oder? Vor allem, wenn jemand so ernst wirkt.«
»Ich danke Ihnen, Mr. Donovan«, sagte Jenny.
Havilland stellte nur ein paar harmlose Fragen, die vor allem unterstreichen sollten, dass Mr. Donovan ein zuverlässiges und besorgtes Mitglied der Gesellschaft war. Martha Denton bohrte ein bisschen nach und rang ihm das Eingeständnis ab, dass die Männer irgendwie ängstlich oder vorsichtig gewirkt hätten. Jenny machte darauf aufmerksam,dass dieses Detail in der ursprünglichen Aussage nicht vorgekommen war, worauf Donovan entgegnete, dass der Polizist, der seine Aussage aufgenommen habe, in Eile gewesen sei und allem Anschein nach
Weitere Kostenlose Bücher