Totenstätte
James?«
»Ich denke, vieles war nur Show«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte. »So religiös war Nazim gar nicht … zumindest Ende Juni nicht mehr.«
»Wie kommen Sie darauf?«
Dani wandte ihr Gesicht von Mrs. Jamal ab. »Es war am Abend des 26. Juni, an einem Mittwoch … Nazim kam in die Bar, und wir haben angefangen zu reden. Er hat nichts getrunken, natürlich nicht, aber er war sehr lustig, fast so wie früher.« Sie machte eine Pause, dann schaute sie auf. »Wir haben die Nacht miteinander verbracht.«
Ein Raunen ging durch den Saal. Die Journalisten beugten sich über ihre Notizblöcke. Jenny bemerkte, dass McAvoy verwundert den Kopf schüttelte. Mrs. Jamal wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. Jenny spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Endlich eine Enthüllung.
»Sie haben in der Nacht des 26. Juni mit Nazim geschlafen?«
»Ja.« Dani wirkte nach dem öffentlichen Bekenntnis erleichtert. »Wir hatten keine Beziehung. Es ist einfach so passiert. Nur in dieser einen Nacht. Morgens früh hat er mein Zimmer verlassen, und es war für uns beide okay.«
»Haben Sie miteinander geredet?«
»Nicht wirklich.«
»Hatten Sie einen Eindruck, was in ihm vorging?«
»Er hat gelacht und Witze gerissen … Er war so übermütig, und ich hatte schon zu viel getrunken. Großartig geziert habe ich mich jedenfalls nicht. Es ist einfach so passiert.«
»Haben Sie ihn wiedergesehen?«
»Nein. Nie.«
»Und Sie haben auch keine Ahnung, warum er an diesem Abend Kontakt zu Ihnen gesucht hat?«
»Ich war neunzehn und habe mein Leben genossen. Die Sache war nicht wichtig genug, um irgendwelche Fragen zu stellen.«
»Einen Moment mal, Miss James.«
Fraser Havilland und Martha Denton hatten die Köpfe zusammengesteckt und debattierten. Irgendwann schienen sie sich geeinigt zu haben, denn Havilland stand auf und wandte sich an die Zeugin. Aalglatt und entwaffnend lächelte er sie an.
»Der Polizei haben Sie damals aber nichts von dieser Nacht erzählt, oder?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?«
»Es erschien mir nicht wichtig.« Sie seufzte und runzelte die Stirn. »Vermutlich habe ich mich auch irgendwie schuldig gefühlt … Es gab keinen Grund dafür, aber ich wusste nicht, was in ihm vorging.«
Havilland studierte seine Notizen. »Sie sagten, er sei übermütig gewesen?«
»Ja.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Das war nur ein Eindruck.«
»In der Bar hat er vermutlich keine traditionelle Kleidung getragen, oder?«
»Nein. Aber er hatte generell damit aufgehört. Das war mir schon ein paar Wochen zuvor aufgefallen.«
Havilland trommelte nachdenklich mit den Fingern auf dem Tisch herum, während er nach den richtigen Worten suchte. »Sind Sie auf die Idee gekommen, dass sein Übermut vielleicht daher rührte, dass er sich noch ein letztes Mal austoben wollte, bevor es ernst wird?«
»Damals nicht. Als ich dann später hörte, was erzählt wurde …«
»Danke, Miss James.« Havilland schnitt ihr das Wort ab und nahm mit der zufriedenen Miene eines Mannes Platz, der gerade einen entscheidenden Punkt gemacht hat.
Martha Denton erhob sich. »Halten Sie es nicht für verlogen, dass Sie der Polizei damals nichts von der Sache erzählt haben?«
Dani sah Jenny an. »Darf ich noch ausführen, was ich gerade sagen wollte?«
»Bitte«, sagte Jenny.
Martha Denton verdrehte ungeduldig die Augen.
»Ich habe viel darüber nachgedacht, immer wieder … Mir kam es nicht so vor, als würde Nazim irgendwohin wollen, ganz im Gegenteil. Er schien von irgendwo her zurückzukommen .«
»Es ist höchst verlogen von Ihnen, dass Sie der Polizei nichts davon erzählt haben«, preschte Denton noch einmal vor.
»Es ist nicht einfach, über solche Dinge zu reden, vor allem dann, wenn man so jung ist.«
»Sie wirken nicht sehr verklemmt auf mich.«
Dani schien verletzt. »Glauben Sie mir, es ist leichter, mit einem Mann ins Bett zu gehen, als mit der Polizei zu reden.«
»Miss James, egal ob Sie nun mit Nazim Jamal geschlafen haben oder nicht, Sie haben jedenfalls keine Ahnung, wo er hingegangen sein könnte, oder?«
»Nein. Aber ich habe ein Gefühl. Meiner Meinung nach war er nie ein religiöser Fanatiker, nicht wirklich.«
»Sie sind Juristin und müssten wissen, dass in unserem Job Gefühle nicht als Beweise taugen.«
Danis Miene verhärtete sich. »Und überzeugte Muslime springen nicht von einem Bett ins nächste. Ich habe von Nazim Chlamydien bekommen. Die Entzündung war ziemlich schmerzhaft, und einen
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