Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
nicht merken, wenn die Beziehung schon lange im Eimer ist. Aber in diesem Fall spielst du offensichtlich diesen Part.«
Ich stieß sie im Reinrammeln mit der Schulter an und griff ihr an die Arschbacken. »Wenn du dich da mal nicht auf dem Holzwurmweg befindest, meine Schöne!«
Sie hopste zur Seite. »Und außerdem bist du ihm viel zu ordinär.«
Ich schloss mich ein, zog das Kleid hoch und den Schlüpfer runter und setzte mich. Draußen rauschte das Wasser. Aus mir lief heiß der Zorn.
»Dann pass du mal auf«, rief ich von meinem Leibhocker aus, »dass er sich mit dir nicht langweilt. Wie ist das bei dir? Bist du schon jenseits?«
Stille. Dann das Klappern des Handtuchspenders.
»Ich meine«, legte ich nach, »bist du schon mit der Altweiberhitze durch? Ist deine Scheide schon trocken gefallen?«
Keine Antwort.
»Oder kommt da noch was?«
Stille. Ich raufte Klopapier von der Rolle.
»Aber keine Sorge. Es gibt ja Gleitgels. Das törnt mächtig an!«
Ich zog mir den Slip hoch, knickte auf den hohen Absätzen um und zog das Kleid so weit hinunter, wie es ging. Als ich die Tür aufriss, schaute ich in Emmas große müde Augen.
Hoffentlich konnte sie kein Deutsch.
37
Als wir uns Edinburgh näherten, teilte mir die Fluggesellschaft am Telefon mit, wir könnten am Abend fliegen. Emma und Bob setzten uns am Flughafen ab. Wenn sie der Polizei oder den Zeitungsredaktionen, für die sie arbeiteten, umgehend mitteilten, wo wir uns befanden, dann würden wir das Land an diesem Abend nicht unbehelligt verlassen können. Das war uns klar und den beiden auch. Wir sprachen nicht darüber. Sie um Nachrichtenstille zu bitten hätte keinen Sinn gehabt. Wir besaßen kein Druckmittel. Wir konnten nur hoffen, harmlos gewirkt zu haben. Oder aber darauf, dass sie es interessanter fanden zu wissen, dass ich der Psi-Master war, als uns der Polizei oder Presse auszuliefern. Damit hielten sie sich auch die Möglichkeit offen, mich später – wenn alle wussten, was sie jetzt schon wussten – als Exklusivinformantin nutzen zu können.
Finley bestand darauf, uns zum Check-in zu begleiten, falls es doch noch irgendwelche Probleme geben sollte. Und so war es. Als wir einchecken wollten, gab es uns nicht mehr. Wir waren aus der Passagierliste der vor zwei Tagen notgelandeten KL -Maschine verschwunden. Als ob wir niemals darin gesessen hätten. Logischerweise war auch unser Gepäck nicht auffindbar. Wir brachen den Versuch, unsere Identitäten wiederzugewinnen, schnell ab, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Es genügte, dass Richard im Gewand des Highlanders mit uns zwei aufgebrezelten Schnepfen im Schlepptau allenthalben Blicke auf sich zog.
Denn mittlerweile hatten die Ereignisse einen Tick ins Irreale bekommen. Auf der digitalen Werbetafel neben den Abflugzeiten waren kilometerlange Staus auf den Ausfallstraßen von London, Manchester, Glasgow und anderen Großstädten zu sehen. Den Tickerbändern zufolge waren die Menschen auf der Flucht vor einem Erdbeben. Es hatte sich nicht ereignet, es war nur angekündigt worden. Und zwar auf Facebook und Twitter. Shinobi hatte sich wieder gemeldet und seine Erdbebendrohung erneuert: »London Tower will fall into Thames. Der Tower wird in die Themse stürzen.«
Zwischendurch sah man unsere Gesichter, wie sie von Bob am St. Martin’s Cross aufgenommen worden waren, alle vier grotesk vergrößert. Offenbar suchte uns die Polizei im Zusammenhang mit diesen Terrordrohungen. Offensichtlich waren Finley McPierson und Derya Barzani nun nicht mehr tot, sondern Teil der Gefolgschaft von El Tio, der den Shinobi in seiner Gewalt hatte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, dass sie mir diese Rolle zuschrieben und ein Gesicht dazu produzierten. Womöglich meines.
Es war aussichtslos, für diesen Abend neue Flüge zu buchen. Finley schlug vor, dass wir uns ein Taxi in die Stadt nahmen und die Nacht bei ihm verbrachten. Aber Taxifahrer würden uns sofort erkennen. »Und ob du zu Hause sicher bist, würde ich auch bezweifeln«, bemerkte ich. »Mindestens ein paar Journalisten dürften auf der Lauer liegen.« Aber auch hier auf dem Flughafen war es nur eine Frage der Zeit, bis einer der Leute, die seit Stunden Löcher in die Luft glotzten, weil sie zwar gültige Flugtickets, aber keinen Flug hatten, Richard trotz des Schottenrocks und Derya oder mich hinter der Fassade von Make-up, rotem Lippenstift, extravaganten Kleidern, Hut und Lacklederstiefeln erkennen würde. Vor allem, wenn Emma
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