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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Parapsychopath ist oder nicht. Beispielsweise, ob er den Kronleuchter in Neuschwanstein zum Schwingen gebracht hat oder nicht.«
    Finley überlegte tatsächlich. »Eine Reise im Privatjet sollte man sich nicht entgehen lassen. Einmal wie James Bond fühlen. Aber … ich habe morgen Vorlesung.«
    Eine Stunde vor Mitternacht rollte die Maschine auf die Startbahn, die Triebwerke powerten, der Schub drückte uns in die Lehnen. Dann kippte der Flughafen von Edinburgh in die Tiefe. Geschafft! Ans Abstürzen dachte ich diesmal nicht. Es fühlte sich vielmehr an, als seien wir in letzter Minute dem schwarzen Gemäuer eines Spukschlosses entronnen. Der Blick zurück hatte vor allem Richard geschockt. Denn als der Stewart der Groschenkamp’schen Maschine im GAT auf uns zukam und wir aufstanden und uns von Finley verabschiedeten, erschien auf dem Fernsehbildschirm im Wartesaal auf einem Laufband die Nachricht: »Medien: Shinobi ist Juri Katzenjacob, 23 Jahre. Sitzt unter dem Verdacht, den deutschen Parapsychologen Rosenfeld getötet zu haben, in deutschem Gefängnis.«
    Selten habe ich Richard so perplex gesehen. Derya musste ihn weiterziehen. Sein Blick sprang zu mir. Er wusste, er hatte mir nicht verraten, ob Katzenjacob auf der Liste stand. Wirklich nicht? Er zweifelte an seinem Verstand. Sprach er nachts im Schlaf? Hatte ich sein Hirn angezapft? War Telepathie möglich? Und wenn ja, hatte ich diese Information wirklich beispielsweise an Emma weitergegeben?
    Es war die Stunde der Zweifel an allem und jedem. Wenn sogar die beiden Parapsychologen ins Schlingern kamen, weil sie sich den Zusammenhang zwischen Shinobis Twitter-Prognose und einem Erdbeben nicht erklären konnten. Niemand von uns konnte sich dem Gefühl entziehen, durch eine Geisterbahn zu rasen, von der wir niemals für möglich gehalten hätten, dass sie uns Angst machen würde.
    »Finley und du, ihr seid ausspioniert worden von SC & D «, raunte ich Richard zu, als wir übers Flugfeld zur Maschine liefen und Derya zwei Schritte vor uns ging. »Falls ihr euch unterhalten habt, wurde es mitgehört.«
    »Wir haben uns aber nicht über die Liste unterhalten. Keiner von uns beiden hat einen Namen ausgesprochen.«
    »Aber die Liste befindet sich doch längst in der Hand der Presse. Ich bin absolut sicher, der Einbruch heute Nacht in Finleys Institut galt diesem Dokument. Und die Bastarde von der Zeitung haben die einzig möglichen Schlüsse daraus gezogen.«
    »Aber auf der Liste stehen 169 Personen. Wieso kommen sie ausgerechnet auf Katzenjacob?«
    »Richard, ich hätte auch nur einen Tag gebraucht. Dazu reicht Google. Vom Stichwort Kalteneck kommt man unbedingt auf Rosenfeld, auf seinen Tod und auf den Tatverdächtigen. Und wenn dieser Bursche auf der Liste der Kalteneck-Versuche steht, ist die Story rund.«
    Der Journalist hatte nur des Deutschen mächtig sein müssen. Ach, nicht einmal das. Google übersetzte heutzutage zumindest Fakten leidlich zufriedenstellend. Und dann musste man nur alles zusammenbauen. Das Phantom der Gang of Four war schon da. Dazu kamen Anschläge per Geisteskraft auf zentrale technische Einrichtungen und Orte von Symbolkraft. Aus der Internethavarie gestern und einem kaum spürbaren Erdbeben heute ergab sich, dass alles Böse dieser Welt von einer Burg Kalteneck ausging, den gruseligen Namen Juri Katzenjacob trug und von deutschen Verbrechern nach Großbritannien getragen worden war. Ja, man hatte gar keinen anderen Schluss ziehen können. Es passte einfach gut. Zu gut.

38
    Um halb zwei landeten wir in Fuhlsbüttel. Eine Limousine mit Chauffeur brachte uns in die Elbchaussee. Ich kam mir vor wie aus dem Kino getappt. Endlich verkehrte man wieder auf der richtigen Straßenseite. Die Gedanken liefen wieder in der Spur. Und so ruhig war diese alte Stadt mit ihrem Wind in den Bäumen, den hellen Häusern, dem Hafengeruch. Die Villa Groschenkamp stand hinter einer Mauer elbseitig unter Bäumen der nachts durchaus nicht stillen Elbchaussee.
    Der Hausherr erwartete uns in einem Salon mit Marmorsäulen und Stuck an der Decke, Gemälden von Miró, Dalí und Max Ernst an den Wänden und tiefen Clubsesseln, Teetischen und einem Stutzflügel auf dem Teppich. Oiger Groschenkamp war ein fleischiger Alter mit randloser Brille und gepflegtem weißem Kinnbart. Er trug ein gestreiftes Hemd, Hosen und Jacke, die sich in nichts vom üblichen Rentnerschick unterschieden, außer dass Kenner wussten, dass sie das Zehnfache gekostet hatten. Er umarmte seine

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