Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
lebte Finley McPierson wieder. Unbekannt sei allerdings, wo er und seine Begleiter sich aufhielten. Sie hätten die Nacht in einer Pension in Fionnphort verbracht, den Ort am späten Vormittag verlassen und seien seitdem nirgendwo wieder aufgetaucht.
»Na siehst du, Finley!«, rief ich nach vorn. »Alles wird gut. Man muss nur Geduld haben.«
Allerdings erfuhren wir nun, dass die Räume der Koestler Parapsychology Unit in Edinburgh gestern Nacht durchsucht und verwüstet worden waren. Wonach die Eindringlinge gesucht hatten, sei nicht bekannt.
Aber mir! Zumindest konnte ich es mir denken.
»Da!«, rief Derya. »Da könnten wir doch mal eine Pause machen.«
Es war ein weiß getünchtes Cottage mit dem erlösenden Namen Old Drover’s Inn. Es bildete den Ort namens Luib. Bob fuhr den Van auf den Parkplatz.
»Übrigens«, raunte ich Richard zu, als wir ausstiegen, »Héctor Quicio ist verschollen.«
Er kramte nach den Zigaretten.
»Seine Freunde haben seit längerem nichts mehr von ihm gehört. Letzter bekannter Aufenthaltsort war Jávea. Aber jetzt muss ich erst einmal … Kannst du solange?« Ich drückte ihm Cipións Leine in die Hand und eilte Derya hinterher, überholte sie im urigen Pub und stürmte die Damentoilette.
Die Anlage hatte einen Vorraum mit Waschbecken, aber nur eine Kabine. Ich winkte Derya generös durch, lehnte mich irgendwo an und lauschte dem ureigentlich weiblichen und nur an solchem Ort vernehmbaren knistrigen Rascheln von Röcken und dem Reiben von zartem Stoff auf der Haut. Der in mir herrschende Überdruck verstärkte den Reiz angenehm in meine Lustorgane. Und wenn ich schon so allein stand, konnte ich ja auch mal kurz bei mir nachfassen.
Ich hörte, wie sie sich setzte. Die Klobrille knirschte. Ich wartete auf den erlösenden Dammbruch und das befreite Geplitschel in der Schüssel, doch drinnen blieb es still. Scham-Kontinenz, diagnostizierte ich. Frau Dr. Barzani war im Intimbereich unentspannt, zumindest, wenn sie mich vor der Tür wusste.
»Übrigens, Derya«, sagte ich, um die hochnotlauschige Stille zu durchbrechen. »Es tut mir leid, dass ich gestern … nun ja, so ruppig war.«
Sie ächzte. »Schon gut.« Noch immer kein Strullen.
»Ich hatte da was missverstanden.«
Endlich. Es war mir gelungen, sie abzulenken. Was gab es da misszuverstehen?, fragte sie sich. Ich hörte es förmlich.
»Ich dachte nämlich, bei ihm sei es was Ernstes, aber …«
Drinnen ratzte ein Absatz, und sie stieß hervor: »Ah, jetzt kommt das!« Sie konnte sogar kurz lachen. »Du willst mir sagen, er benutzt mich nur. Richard hat mir schon gesagt, dass du es damit versuchen wirst. Du hättest generell Probleme, Veränderungen zu adaptieren.«
Meine übervolle Blase bekam Beulen. Ich stotterte: »Ach, das … das hat er … wirklich gesagt?«
»Ja, du nimmst für dich in Anspruch, was du ihm nicht zugestehst.«
»So? Was denn?«
Wie lange dauerte das eigentlich noch da drinnen? Sie wusste doch, dass ich es schier nicht mehr verheben konnte, und drückte sich noch das letzte Tröpfchen aus der eingeschrumpelten Blase.
»Freiheit!«, rief sie und zog Klopapier von der Rolle, viel Papier. »Du beharrst auf deiner Freiheit, aber er soll absolut treu sein. Du schickst ihn nach Belieben fort, aber wehe, er bleibt mal weg. In all den Jahren, sagt er, ist dir anscheinend nie der Hauch des Gedankens gekommen, dass er für dich gerne mehr gewesen wäre als ein gelegentlicher Gast für die Nacht in deiner Wohnung.«
Nee, der Gedanke war mir wirklich nicht gekommen. Schon weil Richard eine viel schönere Wohnung in teurer Halbhöhenlage hatte. Außerdem konnte er kochen, er war Workaholic und exzessiver Freizeitsportler, und wenn er dann mal für ein oder zwei Stunden vor dem Zubettgehen oder am Sonntag zu Hause war, setzte er sich an den Bechstein-Flügel. Als Frau brauchte er mich nicht. Warum sollte er für mich mehr sein wollen als ein Nachtkrabb in meiner Wohnung?
Die Spülung toste. Derya gehörte zu denen, die erst spülten und sich dann den Schlüpfer hochzogen und zum Schluss die Nylons, falls sie welche trugen. Sie trug keine, denn Heather war nicht auf den Gedanken gekommen, dass es Frauen vom Kontinent im schottischen Mai etwas frisch fanden. Auch mir bobbelten Gänsehautnoppen auf den Schenkeln, was allerdings auch an der inneren Sprengung liegen mochte.
»Normalerweise«, der Schlüssel drehte sich und Derya erschien in hellblauem Chiffon in der Tür, »sind es die Männer, die
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