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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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diese Information an die Medien weitergab, für die sie arbeitete. Glücklicherweise war bisher wenigstens von einem Dackel in unserer Gesellschaft noch nicht die Rede gewesen.
    »Dann rufe ich jetzt meinen Vater an«, sagte Derya. »Er soll uns sein Flugzeug schicken.«
    Das klang supergut. Genial! Wie ein Märchen aus James Bond.
    »Dafür müsste ich aber telefonieren.«
    Ich gab ihr mein Handy.
    Sie nahm es mit einem kleinen spöttischen Lächeln. Ich musste es ihr zugestehen. Es war nicht sonderlich souverän, dass ich kein Wort mit ihr sprach.
    Während sie telefonierte, dirigierte Richard uns treppauf in die Halle mit den Sicherheitsschleusen zu den Flugsteigen, aber auch den Läden und Lounges. Immer in Bewegung bleiben. Alte Kriegstaktik. Finley schlenkerte seine Kamelbeine mit hinauf. Vorm Schaufenster eines Herrenausstatters, dessen Anzüge Richard sehnsüchtig musterte, beendete Derya ihr Telefongespräch und gab mir das Handy zurück.
    »Er schickt sein Flugzeug. Aber ein paar Stunden wird das dauern.«
    Die schwarz-weiß gewürfelten Schirmmützen zweier Polizisten blitzten zwischen den Leuten auf. Richard betrat mit wehendem Schottenrock den Laden. Wir folgten ihm und machten uns daran, die Verkäuferin ins Schwitzen zu bringen, der klar wurde, dass der schweigsame Schotte und seine beiden ausländischen Damen sich gänzlich neu einzukleiden wünschten, wobei eine – nämlich ich – sich für einen grauen Herrendreiteiler interessierte und Geld eine untergeordnete Rolle spielte. Cipión bekam ein Wasser hingestellt. Finley ließ sich, bevor wir alle in Umkleidekabinen verschwanden, mein Handy geben und rief in seinem Institut an. Er war blass, als ich ihn wieder sah. Und es lag nicht daran, dass die Einbrecher gestern Nacht alle Computer zerschlagen hatten.
    »In London hat es ein Erdbeben gegeben.«
    »Was ist los?«, fragte Richard, der gerade in einem braunen Harris-Tweed, oder auf Deutsch Twill-Sakko, dazu passenden Beinkleidern und beigefarbenem Hemd aus der Umkleide trat.
    »Ein Erdbeben in London«, flüsterte Derya.
    »Schlimm?«, fragte ich Finley.
    Das hatten die Kollegen im Institut ihm nicht sagen können. Sie hätten es gerade im Radio gehört.
    »Es gibt ihn also doch«, sagte Derya fast feierlich. »Es ist möglich! Es geschieht gerade. Wir erleben einen historischen Moment. Zum ersten Mal sind wir dabei, können beweisen, dass Vorhersage und ein Ereignis, das auszulösen schwerlich in der Macht eines Einzelnen steht, aufeinander folgen.«
    Finley kratzte sich den Kopf. Es war nicht auszumachen, was ihn mehr entsetzte, ein Erdbeben, dessen zerstörerische Wucht noch nicht bekannt war, oder die Vorstellung, dabei müsse Psi im Spiel sein. »Das ist nicht möglich, Derya«, sagte er. »Niemand kann ein Erdbeben prophezeien. Es ist nicht möglich! Es geht nicht. Wir sind uns doch einig, dass Hellseherei unmöglich ist.«
    Derya schien sich da mit ihm nicht mehr so einig zu sein.
    »Warum bestreitet ihr Parapsychologen eigentlich immer so vehement, dass Hellseherei möglich ist?«, fragte ich. »Mir ist es schon oft passiert, dass ich an jemanden denke, und schwupp ruft er an.«
    »Das sind Gedankenverbindungen zwischen zwei Menschen, Lisa«, sagte Finley erregt. »Das ist Telepathie. Warum kann niemand auf der Welt zuverlässig vorhersagen, welche Kugeln der Lottoapparat auswirft. Damit wäre der Beweis ganz einfach, nicht wahr? Deshalb hat die Wissenschaft schon vor hundert Jahren aufgehört, ernsthaft darüber zu diskutieren, ob Hellseherei möglich ist.«
    »Das ist nicht ganz richtig, verehrter Kollege«, widersprach Derya. »Ich erinnere an die Versuche von Daryl Bem von der Cornell Universität in Ithaca, New York. In acht von neun Experimenten gab es statistisch signifikante Abweichungen vom Durchschnitt.«
    »Aber wir haben seine Versuche nicht wiederholen können.«
    »Was für Versuche?«, fragte ich.
    »Zum Beispiel, eine Testperson sitzt vor einem Bildschirm, auf dem zwei Bilder mit zugezogenen Vorhängen zu sehen sind. Er soll nun entscheiden, hinter welchem der beiden sich ein erotisches Bild befindet …«
    »Da scheinen doch nur Männer für Männer Versuche anzustellen«, bemerkte ich.
    Finley lachte gehetzt. »Nachdem die Probanden sich für das eine oder andere Vorhangbild entschieden hatten, bestimmte der Zufallsgenerator, wo das erotische Bild zu sehen sein würde. In 53 Prozent der Fälle, berichtet Bem, lagen die Probanden mit ihrer Prognose richtig. Das scheint

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