Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
reden von den Schäden eines Erdbebens«, spottete ich.
    »Aber es ist doch nur das Internet!«, rief Finley.
    »Die halbe Industrie ist vom Internet abhängig«, sagte Richard. »Nicht nur wegen des schnellen E -Mail-Verkehrs, auch Lieferpläne, Lagerhaltung, die schnelle Abfrage von Transportwegen, Zügen, Flugzeugen werden übers Internet gemacht. Aber ich verstehe nicht, wie eine solche Meldung das Netz lahmlegen kann.«
    Emma brauchte keine Erklärung mehr. »Weil diese Tweets sich ständig weiterverbreitet haben. Alle möglichen Leute haben das gelesen und weitergeschickt. Und jedes Mal, wenn sie weitergeschickt wurden, haben sie sich auch vermehrt. Allein ich habe sie mehrere tausend Mal bekommen. Total der Wahnsinn. Ein Virus enthält die Meldung aber nicht, sagen die Fachleute.«
    »Da hat sich also«, frohlockte ich, »die Informationsmaschinerie gewissermaßen an der eigenen Spucke verschluckt.«
    Richard konnte nicht verhindern, dass er mich ansah. Er hatte mich schon einige Male in allergrößter Hustnot erlebt, weil ich dazu neigte, Spucke statt Luft zu atmen.
    »Sie hätte sich aber gar nicht derartig vermehren können, dass sie alles verstopft«, sagte Emma mit frühweisem Augenaufschlag. »Da ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen.«
    »Nein, Twitter ist gehackt worden«, sagte ich.
    »Das ist nicht so … so einfach!«
    »Ah, Sie haben es also auch schon probiert.« Ich erinnerte mich plötzlich an Dora Asemwalds Botschaft, die ich vorhin kurz vor meinem Austausch finaler Bösartigkeiten mit Richard in meinen Facebook-Benachrichtigungen hatte aufblitzen sehen. »Jemand hat den zentralen Zugang geknackt und auf die Accounts der Zeitungen zugegriffen.«
    »Das wäre ein ziemlicher Skandal!«, sagte Emma widerstrebend.
    »Dann kann es aber nicht gut der CIA gewesen sein, der die Meldungen storniert hat«, bemerkte Richard. »Zumal zumindest in Deutschland weder Geheimdienst noch Bundeskanzler den Medien irgendetwas befehlen können.«
    Emma schmunzelte mit gesenktem Blick. »Glauben Sie das wirklich?«
    Ich tippte unterdessen in meinem Handy die Mails durch und öffnete Dora Asemwalds Beitrag. Ihr Kommentar zur Bemerkung eines meiner FreundInnen über den Internetabsturz in Großbritannien lautete: »Shin Obi ist kein Baumarkt.«
    Noch gestern Abend hätte ich das abgehakt als Witzelei innerhalb eines der typischen spätabendlichen Spiele, das Facebook-Kommentare zuweilen bis auf über hundert Beiträge hochtrieb.
    Ich kannte Dora auch gar nicht persönlich. Es war noch nicht lange her, dass sie angefangen hatte, meine Posts zu kommentieren. Irgendwann hatte ich geahnt, dass sie in Stuttgart lebte. Und kürzlich war mir aufgefallen, dass in der Heusteigstraße an einem Eckladen ein Schild mit der Aufschrift »Galerie Dora Asemwald« hing. Ich war von meinem Fahrrad gestiegen und hatte an der Tür gerüttelt, das Gesicht beschattet und durchs Glas hineingeschaut, aber nicht viel sehen können außer Tischen, Computer und den Kacheln und Haken eines vormaligen Metzgerladens. Aufgemacht hatte niemand.
    Ihr Kommentar stammte von heute Nacht halb zwei. Jetzt hätte ich gern ein ruhiges Eckchen gehabt, um ein bisschen zu chatten. Aber obgleich Emmas Klappcomputer internetfähig war, so saßen wir doch in einem Auto und fuhren durch grüne Hügel, arm an Hotspots. Um Dora musste ich mich kümmern, wenn ich wieder in Stuttgart war. Falls wir das jemals schafften.
    »Und wie passt Ihre Theorie vom CIA damit zusammen, dass ich das Chaos verursacht habe?«
    »Sie sind vom CIA ?«, antwortete sie mit fragendem Satzende.
    Ich gab es auf. Außerdem verlangte eine weitere Facebook-Benachrichtigung meine Aufmerksamkeit.
    Sie stammte von Rosario, der hübschesten Freundin von Héctor Quicio, die ich vor ein paar Tagen gefragt hatte, ob sie wüsste, wo ich Héctor finden könne. Sie schrieb, sie habe seit einiger Zeit nichts mehr von ihm gehört. Sie habe unter seinen Facebook-Kontakten herumgefragt. Sein Freund Iván habe geschrieben, dass Héctor Anfang des Jahres nach Jávea gefahren sei. Er habe sich dort in eine Frau verliebt, eine Deutsche. Vielleicht sei er mit ihr nach Deutschland gegangen.
    Als ich wieder hochschaute, war es still geworden im Wagen. Richard las schweigend die verschiedenen Zeitungen, die er gekauft hatte. Neben mir saß gegen die Seitenwand gelehnt ein müdes Mädchen, das gern geschlafen hätte. Wie viel Anteil hatte sie an dem Unsinn, der in den Edinburgh Evening News und im Evening

Weitere Kostenlose Bücher