Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
für möglich, dass der Lammert seinen Bundestag für eine Zaubershow hergibt?«
Finley war auch schon auf der Spur. »Katzenjacob begeht einen Anschlag auf den Papst, während der im Bundestag redet – das Gespenst malt die Presse ja ohnehin bereits an die Wand –, Lisa verhindert das und eliminiert ihn. Peng! High Noon!«
Es hatte was. Es gefiel uns. Der Vorteil war, man würde keine Zaubershow ankündigen und Medien einladen müssen, denn sie waren alle schon da. Das Ereignis würde sich scheinbar spontan vor den Augen der Öffentlichkeit ergeben und darum glaubwürdig wirken. Blieb noch die nicht ganz unwesentliche Frage, was genau passieren sollte.
»Und wo befindet sich Katzenjacob währenddessen?«, fragte Derya, die sich nicht hatte anstecken lassen von unserem Schabernackgeist. »Er müsste doch bereit sein mitzumachen. Wenn er sich weigert, brauchen wir gar nicht weiterzuüberlegen.«
»Ich rede mit ihm«, sagte ich. »Vorausgesetzt, die Staatsanwaltschaft erteilt mir die Erlaubnis dafür.«
»Das wird sie!«, sagte Merkel. »Nicht wahr, Herr Dr. Weber?«
»Ich bin nicht der ermittelnde Staatsanwalt. Der Fall liegt bei der Bundesanwaltschaft. Es handelt sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren. Da ist es nicht üblich, dass Nicht-Familienmitglieder …«
»Dies ist ein Sonderfall, das werden Sie doch begreifen!«
Richard lächelte. »Ich gebe mir Mühe.«
Erst im Morgengrauen betraten wir unser Hotelzimmer. »Und du hast es doch geplant, Richard!«
»Du doch auch.« Er zog sich das Jackett aus und knöpfte die Weste auf, löste die Krawatte.
Ich synchronisierte mich mit ihm. »Ich kann gar nicht planen!«
Er unterbrach sich beim Hemd. »Nun gib mal nicht so an, Lisa.«
Ich unterbrach mich beim Hosenknopf und trat an ihn heran. Er drehte sich halb zur Seite und hielt meine Hand mit dem Unterarm weg. Das hatte er inzwischen gelernt, denn wenn der Gegner sich abwendet, kann der Judoka keinen Wurf ansetzen. Ich musste um seine Schulter herumwandern und mich erneut aufbauen.
Er stellte sich, schaute mir in die Augen und sagte ungewöhnlich heftig: »Beantworte mir mal eine Frage, Lisa!«
»Ja.«
»Warum akzeptierst du es nicht?«
»Du hast das Doppelzimmer bestellt, nicht ich!«
»Das ist keine Antwort. Liegt es daran, dass du grundsätzlich nicht akzeptierst, wenn jemand nicht so will wie du? Willst du nur stärker sein, dich durchsetzen? Worum geht es dir?« Er senkte den Blick und schnaubte: »Ach, was soll’s.«
Oje, das meinte er! Er stellte die Liebesfrage. Mich packte Rührung. »Du bist wütend!«
»Ja, ich bin wütend«, antwortete er und war es schon ein kleines bisschen weniger. Es funktionierte. Mein Coach hatte recht. Sag dem andern, dass du seine Gefühle verstanden hast. Das mildert sie.
»Und worüber bist du wütend, ganz konkret?«
»Wenn du das nicht weißt, dann hat es keinen Sinn, weiterzureden.«
»Ich denke mir, dass du sauer bist, weil ich dir Derya entführt habe«, antwortete ich.
»Nein, so gut solltest du mich kennen, Lisa. Wenn ich mich über deine Affären aufregen würde, wären wir schon längst geschiedene Leute. Aber ich finde, Privates sollte privat bleiben. Und wie du …« Er schluckte. Es fiel ihm schwer auszusprechen, was ihn wirklich gekränkt hatte. »Wie du mich vor … vor Derya …«
»Ich habe dich vor ihr lächerlich gemacht. Nein, nicht lächerlich, sondern …« Coach, hilf, wie sage ich es so, dass es ihn nicht erneut schmerzt. Ich hatte den Weißrücken desavouiert, als Mann ins Abseits gestellt und es demonstrativ zelebriert vor den Augen einer der schönsten Frauen im Land. Er fühlte sich vor Derya als Versager.
»Ja«, sagte er und nahm es mir ab, es auszusprechen, »du hast mich zum Hornochsen gemacht, wo ich …« Ein Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln. »Wo ich gern als Stier reüssiert hätte.«
»Das war voll unterirdisch von mir! Ich habe zwar genau das gewollt, aber es war kein Zeichen von Größe, sondern ein echt schäbiger Zug. Ich war ziemlich von der Rolle, weil du plötzlich … ich meine … äh … wie sage ich das? Weißt du, ich bin mir deiner immer sicher gewesen. Es hat mich total geschockt, dass du plötzlich mit der rummachst.«
»Du gehst nämlich insgeheim davon aus, dass ich alter Sack dankbar sein darf, dass du dich mit mir abgibst.«
»Nein!«, rief ich. »Quatsch.« Oder doch?
Er lächelte nachsichtig. »Warum sonst erlaubst du es dir, noch woanders auf deine Kosten zu kommen? Das
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